Liturgie-Experte sieht in Deutscher Messe Beginn kultureller Maßstäbe

"Wegbereitung für alles, was danach kam"

Die Einführung der Deutschen Messe vor 500 Jahren bereitete nach Einschätzung des Liturgie-Experten Alexander Deeg auch den Weg für die evangelische Kirchenmusik. Luthers Ansatz der aktiven Mitfeier habe kulturelle Maßstäbe gesetzt.

Autor/in:
Stephan Cezanne
Das Vaterunser in einem Messbuch. / © Harald Oppitz (KNA)
Das Vaterunser in einem Messbuch. / © Harald Oppitz ( KNA )

"Die Sorgfalt, der hohe Qualitätsanspruch, den Luther im Blick auf die Musik hatte, ist eine Wegbereitung für alles, was danach kam", sagte der Professor für Praktische Theologie an der Universität Leipzig und Leiter des Liturgiewissenschaftlichen Instituts der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), dem Evangelischen Pressedienst (epd). Luthers Grundgedanke der aktiven Mitfeier - in Wort und Musik - habe die evangelische Liturgie über Jahrhunderte geprägt und neue kulturelle Maßstäbe gesetzt.

Verbindung von Lied und Verkündigung

Die von Martin Luther (1483-1546) am 29. Oktober 1525 in Wittenberg erstmals gefeierte Deutsche Messe war die lang erwartete Antwort Luthers auf eine Vielzahl deutschsprachiger evangelischer Gottesdienste, die sich landauf, landab entwickelt hatten. Der Ablauf orientierte sich an der katholischen Messe, verzichtete aber auf den damaligen Messopfergedanken im Abendmahl und setzte auf Predigt, Gemeindelieder und die aktive Teilnahme der Gemeinde.

Ausschnitt eines Reliefs von Martin Luther am Berliner Dom (shutterstock)
Ausschnitt eines Reliefs von Martin Luther am Berliner Dom / ( shutterstock )

Im Oktober 1525 arbeitete Luther laut Deeg mit Hofmusikern intensiv daran, den Gottesdienst musikalisch für die Gemeinde erlebbar zu machen. So sei die Verbindung von Lied und Verkündigung zum Markenzeichen des evangelischen Gottesdienstes geworden - und später zu einem künstlerischen Motor für Komponisten wie Johann Sebastian Bach (1685-1750). 

Schwerpunkt auf Gemeindegesang

Luther habe bewusst neue Akzente gesetzt, indem er die neue Messe nicht nur in deutscher Sprache, sondern mit einem Schwerpunkt auf Gemeindegesang und Predigt gestaltete. Es sei ihm wichtig gewesen, dass die Gemeinde verstehe, was sie feiere, erklärte der Liturgie-Experte.

Auch die Haltung zur liturgischen Tradition war laut Deeg von Weiterentwicklung geprägt: "Luther vollzieht keinen völligen Neustart, sondern setzt eigene Akzente innerhalb einer bestehenden kirchlichen Tradition." 

Rund 450 Jahre später habe das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) eine Liturgiereform vollzogen, die zentrale Reformideen der Reformatoren erstmals für die katholische Liturgie aufgenommen haben, fügte Deeg hinzu. Musik und Mitwirkung der Gläubigen treten seitdem in beiden Konfessionen stärker hervor, was sichtbare Spuren hinterlasse.

Liturgie

Liturgie bezeichnet im Christentum und Judentum das Verständnis und die Ordnung der Zeremonien des Gottesdienstes. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt öffentlicher Dienst. Neben der Heiligen Messe gehören dazu beispielsweise Taufe, Trauung oder Bestattung. Die Formen, Regeln und Vorschriften der römischen Liturgie haben sich im Lauf der Jahrhunderte verändert; grundsätzlich legt der Papst sie fest. Dazu zählen etwa die Vorgabe bestimmter Gebete oder Regeln zum Ablauf des Gottesdienstes sowie Form und Farbe von Messgewändern.

Hochgebet auf deutsch / © Harald Oppitz (KNA)
Hochgebet auf deutsch / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
epd