Liechtensteins Regierungschef will neues Staatskirchenrecht

"Religionsfreiheit wird auch bei uns immer wichtiger"

Nicht nur die Amtszeit von Vaduz' Erzbischof Wolfgang Haas endet, sondern auch die Sonderstellung der katholischen Kirche als Staatskirche in Liechtenstein. Warum das Land kein Konkordat will, erklärt Regierungschef Daniel Risch.

Vaduz, Hauptstadt von Liechtenstein / © RAW-films (shutterstock)
Vaduz, Hauptstadt von Liechtenstein / © RAW-films ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: In der Verfassung von Liechtenstein steht die Religionsfreiheit festgeschrieben. Trotzdem genießt die katholische Kirche Sonderrechte als sogenannte "Landeskirche". Das wollen Sie jetzt mit einem Gesetzentwurf für ein neues Staatskirchenrecht ändern. Was wollen Sie damit erreichen?

Daniel Risch / © Alexandros Michailidis (shutterstock)

Dr. Daniel Risch (Regierungschef des Fürstentums Liechtenstein): Dafür sollten wir auf die Anfänge blicken. Warum und seit wann steht das in der Verfassung? Wir haben nach wie vor die Verfassung aus dem Jahr 1921. Die wurde natürlich hier und da abgeändert. Die katholische Kirche war aber bereits vor der Verfassung als Landeskirche bei uns verankert, weil Liechtenstein schon seit Jahrhunderten ein christlich und katholisch geprägtes Land ist. In den letzten Jahrzehnten hat sich gesamtgesellschaftlich einiges bewegt und die Religionsfreiheit wurde auch bei uns immer wichtiger.

Vor diesem Hintergrund hat man schon vor ungefähr 15 Jahren damit begonnen Kirche und Staat voneinander zu entflechten. Diese Bemühungen sind dann vor rund zwölf, 13 Jahren eingeschlafen. Wir haben uns das Ziel gesetzt, die Gespräche wieder aufzunehmen und zu prüfen, wo es Handlungsbedarf gibt. Dafür haben wir uns mit den verschiedenen Religionsgemeinschaften ausgetauscht. Es gibt vor allem dort Handlungsbedarf, wo andere Religionsgemeinschaften nicht staatlich anerkannt werden können. Nun sind wir auf dem Weg, das gesetzlich zu regeln.

DOMRADIO.DE: Eine solche Sonderstellung der katholischen Kirche wirkt ein bisschen aus der Zeit gefallen.

Risch: Das mag aus der Zeit gefallen wirken, wenn man in einem Land lebt, wo verschiedene Religionsgemeinschaften gleich nebeneinander stehen. In Liechtenstein gaben bei der letzten Volkszählung 2020 70 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner an, dass sie der römisch-katholischen Kirche angehören. Wie schon gesagt: Liechtenstein hat eine christliche Prägung, schon seit vielen Jahrzehnten und Jahrhunderten, das ist nun mal so. Vor diesem Hintergrund sehen wir jetzt, bei diesem neuen Vorschlag auch nicht unbedingt eine Neuregelung für die katholische Kirche. Es geht vor allem um eine Neuregelung für die anderen Religionsgemeinschaften. Das ist unser Fokus.

Daniel Risch

"Die Rolle der Kirche hat in den letzten 20 Jahren ein Stück weit abgenommen."

DOMRADIO.DE: Sie sprechen nicht für die kirchliche, sondern für die politische Seite. Welche Rolle spielt denn der Status der Katholiken als Staatskirche im politischen Alltag für Sie?

Risch: Auf der alltäglichen Basis spielt er keine vorherrschende Rolle. Die Prägung spürt man natürlich hier und dort, keine Frage. Wahrscheinlich kann man auch sagen, dass die Rolle in den letzten 20 Jahren ein Stück weit abgenommen hat. Es war beispielsweise Tradition, dass es am Staatsfeiertag auch eine Messe gibt, oder dass man am Abend vor der Landtagseröffnung noch gemeinsam in die Kirche gegangen ist. Das ist weggefallen und im täglichen Interagieren spielt das keine vorherrschende Rolle. Aber die Diskussionen rund um die Neuordnung werden natürlich geführt.

DOMRADIO.DE: Diese Entflechtung ist ein Prozess, der schon seit Jahrzehnten geführt wird. Wenn man aber eine komplette Trennung von Kirche und Staat wollen würde, wäre der nächste Schritt ein Konkordat. Ein Vertrag zwischen der Regierung Liechtensteins und dem Heiligen Stuhl. Das streben Sie aber explizit nicht an. Warum?

Risch: Wir haben schon erwähnt, dass es eine Sonderstellung gibt, dass die Landeskirche in der Verfassung festgeschrieben ist. Vor diesem Hintergrund haben wir die jetzige Vernehmlassung (sachliche Prüfung im Gesetzgebungsprozess, Anm. d. Red.) gestartet, in der wir das beibehalten und den Status der anderen Religionsgemeinschaften besser stellen wollen.

Es gab vor einigen Jahren die Bestrebungen für dieses Konkordat. All diese Bestimmungen, all diese Elemente, die dort festgeschrieben würden, sind jetzt im neuen Vorschlag auf Verwaltungsebene beziehungsweise auf Gesetzesebene zu finden. Das kommt eigentlich auf das Gleiche heraus, aber ohne diesen Völkerrechtsvertrag, den ein Konkordat auch bildet. Deswegen sehen wir den Mehrwert eines Konkordats aktuell nicht. Vor allem auch deshalb nicht, weil das Verhältnis mit der katholischen Kirche nicht neu geregelt wird, sondern das Verhältnis zu den anderen Religionsgemeinschaften.

Daniel Risch

"Den Mehrwert eines Konkordats sehen wir aktuell nicht."

DOMRADIO.DE: Ein Konkordat regelt auch ein gewisses Mitspracherecht für die Politik in kirchlichen Angelegenheiten. Wenn Köln einen neuen Erzbischof bekäme, müsste diese Wahl auf politischer Ebene nochmal abgesegnet werden. Würden Sie sich da nicht etwas mehr Mitspracherecht wünschen?

Risch: Das könnte man natürlich so auslegen. Wir sehen aber auch die andere Seite. Die katholische Kirche wäre dann die einzige Kirche, die einen Völkerrechtsvertrag hätte. Sie ist auch das einzige Völkerrechtssubjekt, was wir religiös kennen. Deshalb wäre es aus unserer Sicht eher eine Besserstellung der katholischen Kirche als eine Besserstellung der Politik. Das ist auch ein Grund weshalb wir keinen Mehrwert sehen. Wenn wir in Zukunft zum Punkt kommen würden, die Landeskirche aus der Verfassung rauszunehmen, könnte man die Diskussion sicher führen und prüfen ob ein Konkordat sinnvoll wäre.

DOMRADIO.DE: Es widerspräche also Ihren Bestrebungen den anderen Religionsgemeinschaften mehr Bedeutung zu geben, wenn Sie explizit einen Vertrag mit dem Heiligen Stuhl aufsetzen würden?

Risch: Genau.

DOMRADIO.DE: Trotzdem hatten Sie vor kurzem Besuch von Erzbischof Paul Gallagher, dem vatikanischen Sekretär für die Beziehungen mit den Staaten - quasi dem Außenminister des Vatikans. Es gibt also Beziehungen zwischen Liechtenstein und dem Heiligen Stuhl. Wie sehen die aus?

Risch: Es ist interessant, dass sie "trotzdem" sagen. Es war ja kein Besuch des Erzbistums Vaduz, dass sich auf der Fläche des Staatsgebiets befindet, sondern ein Besuch des Landes Liechtenstein. Wir hatten mit dem Außenminister des Vatikans Gespräche, was Angelegenheiten von kleinen Ländern betrifft. Der Vatikan beispielsweise ist ein noch kleineres Land als Liechtenstein.

Natürlich haben wir auch über das Erzbistum und die Zukunft des Erzbistums gesprochen. Das ist hier eine besondere Situation, weil der Vatikan hier vor 25 Jahren ein neues Rechtssubjekt eingerichtet hat. Es ging aber nicht darum, dass wir kein Konkordat wollen. Es ist einfach so, dass man sich unter diesen Staaten auch trifft und austauscht. Ich glaube, das ist etwas ganz Normales.

Daniel Risch

"Mir ist keine Information bekannt, dass das Erzbistum Vaduz wieder in das Bistum Chur eingegliedert werden soll."

DOMRADIO.DE: Es stehen jetzt für das Erzbistum Liechtenstein einige Umbrüche an. Was erwarten Sie für die Zukunft?

Risch: Es ist davon auszugehen, dass der Heilige Stuhl zu gegebener Zeit einen neuen Erzbischof ernennen wird. Mir ist keine Information bekannt, dass das Erzbistum Vaduz wieder in das Bistum Chur eingegliedert werden soll. Also gehen wir auch nicht davon aus.

Aber personell wird sich was ändern. Und für uns in der Politik ist es immer wichtig, auf allen führenden Positionen im In- und Ausland, nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Politik und in den Organisationen, Menschen zu haben, mit denen wir gut zusammenarbeiten. Menschen die das Verbindende und den Dialog suchen.

Deshalb hoffen wir auf eine gute Wahl des Heiligen Stuhls und dass wir dann gut mit ihm zusammenarbeiten können in Zukunft. Das ist nicht nur die Hoffnung für uns in der Politik, sondern natürlich auch für die Gläubigen in Liechtenstein.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Liechtenstein will nicht mehr nur katholisch sein

Liechtenstein will sein Verhältnis zu Religionsgemeinschaften neu regeln. Wie bisher nur die römisch-katholische Kirche sollen alle Glaubensgemeinschaften staatlich anerkannt werden können. Bis August steht ein neues Religionsverfassungsrecht zur Debatte. Dass dann auch der altersbedingte Rücktritt von Erzbischof Haas erwartet wird, ist Zufall.

Königsliechtenstein-Flagge / © Tobias Arhelger (shutterstock)
Königsliechtenstein-Flagge / © Tobias Arhelger ( shutterstock )
Quelle:
DR