Liechtensteiner Laien fordern Auflösung des Erzbistums Vaduz

"Fast schlimmere Situation als 1997"

Mit dem 75. Geburtstag des umstrittenen Erzbischofs Wolfgang Haas stellt sich die Frage nach der Zukunft des Erzbistums Vaduz, das 1997 nur für ihn geschaffen wurde. Der "Verein für eine offene Kirche" fordert ein Ende der Isolation.

Erzbischof Wolfgang Haas im Juni 2023 / © Daniel Schwendener (KNA)
Erzbischof Wolfgang Haas im Juni 2023 / © Daniel Schwendener ( KNA )

DOMRADIO.DE: Blicken wir noch mal zurück: 1997 wurde Wolfgang Haas gegen den Willen der Liechtensteiner als Erzbischof des neuen Bistums Vaduz eingeführt. Damals gab es einen Boykott aus großen Teilen der Regierung und des Parlaments. Was war das damals für eine Zeit? Wie haben die Liechtensteiner reagiert, als dieser Schritt dann angekündigt wurde?

Demonstration gegen die Inthronisation von Wolfgang Haas als Erzbischof von Vaduz im Dezember 1997 / © Harald Oppitz (KNA)
Demonstration gegen die Inthronisation von Wolfgang Haas als Erzbischof von Vaduz im Dezember 1997 / © Harald Oppitz ( KNA )

Dr. Günther Boss (Theologischer Berater "Verein für eine offene Kirche" Liechtenstein): Man kann schon von einem Schock sprechen. Es war schon eine gewisse Schockstarre da. Wir wussten, dass diese Idee existiert, ein Bistum Vaduz oder Bistum Liechtenstein zu schaffen. Das wurde durch den Nuntius und späteren Kardinal Karl Josef Rauber abgeklärt, aber seine Antwort war negativ.

Wir hatten also die Information, ein Bistum Liechtenstein wird nicht kommen. Und so kam dann die Nachricht im Dezember 1997 doch aus heiterem Himmel.

DOMRADIO.DE: Man sagt, dass Erzbischof Haas nicht nur eine extrem konservative Linie vertritt, sondern dass vor allem sein Kommunikationsstil oder das Ausbleiben der Kommunikation das Problem ist. Wie beurteilen Sie das? Was ist er im Umgang für ein Mensch?

Boss: Ja, ich würde das bestätigen. Nur das Konservative allein ist nicht das Problem. Der spätere Weihbischof Peter Henrici hat in einem kürzlichen Interview gesagt, er konnte nicht regieren. Und ich habe es für mich so übersetzt: Er hat überhaupt keine Managementqualitäten.

Er kann nicht organisieren, er ist kein Manager. Er ist gegenüber den Medien sehr ungeschickt. Er hat jetzt auch seit Jahren überhaupt keine Interviews mehr gegeben. Er geht zu keinem Radio, zu keiner Print-Zeitung. Also er ist kommunikativ sehr ungeschickt und auch, was seine Managementqualitäten anbelangt.

Günther Boss

"Er hat überhaupt keine Managementqualitäten."

DOMRADIO.DE: Das Erzbistum Vaduz hat einen interessanten Ruf in der Kirchenszene. Man sagt, dass Priesteramtskandidaten, die in ihrem Diözesen abgelehnt wurden, gerne mal nach Liechtenstein gehen, dort ausgebildet und geweiht werden und dann wieder zurück in ihre Bistümer geschickt werden. Böse könnte man sagen "katholische Resterampe". Aus ihrer Innensicht vor Ort: Ist da was dran an diesem Gerücht? Oder ist das nur böse Nachrede?

Boss: Da ist sehr viel dran an diesem Gerücht. Ich selber habe die letzten Jahre intensiv darauf hingewiesen. Etwa zwei Drittel dieses Erzbistums Vaduz spielen sich gar nicht in Liechtenstein selber ab, sondern im Grunde verteilt über die ganze Weltkirche. Das hängt damit zusammen, dass Erzbischof Wolfgang Haas weit über 60 Kleriker geweiht und inkardiniert hat im Erzbistum Vaduz. Das heißt, sie sind fest eingegliedert im Erzbistum. Die sind aber gar nicht auf dem Boden Liechtensteins tätig.

Das Interessante ist daran, dass wir praktisch keine Berufungen mehr aus Liechtenstein selber haben. Es wurde noch ein Priester geweiht, der aus Liechtenstein selber stammt. Alle anderen kommen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, teilweise sogar aus Frankreich. Und es ist tatsächlich so, dass er auch sehr viele Priester geweiht hat, die in ihrer Heimat abgelehnt worden waren.

DOMRADIO.DE: Das letzte Mal hat das Erzbistum Vaduz Schlagzeilen gemacht, als es sich als einziges Bistum der Welt nicht am synodalen Prozess von Papst Franziskus beteiligt hat. In Liechtenstein sei das nicht nötig, sagte Erzbischof Haas, da man bei Ihnen auch auf kurzem Wege kommunizieren könne. Nun haben wir gerade schon gehört, dass das nicht so ganz stattfindet mit der Kommunikation. Sie haben als Liechtensteiner Laien daraufhin einen eigenen synodalen Prozess gestartet. Wie kam es dazu?

Boss: Es ist richtig, dass Wolfgang Haas offensichtlich als einziger Bischof auf der Welt diesen Prozess abgelehnt hat. Die Ukraine konnte nicht mitmachen aus kriegsbedingten Gründen. Und das zweite Bistum ist tatsächlich das Erzbistum Vaduz, das gesagt hat, wir machen da nicht mit.

Und die Begründung war, dass der Bischof sagte: Wir sind so klein und wir können ja jederzeit miteinander sprechen. Das hat man hier doch ein bisschen als zynisch empfunden, weil der Bischof selber kaum noch erreichbar ist, also weder am Telefon noch an der Pforte, noch auf schriftlichem Wege.

Er hat sich sehr, sehr stark zurückgezogen die letzten Jahre und lebt sehr isoliert. Das konnten wir ihm also nicht abkaufen, dass man jederzeit reden könne.

Günther Boss

"Das hat man hier doch als zynisch empfunden, weil der Bischof selber kaum noch erreichbar ist."

Wir fanden im "Verein für eine offene Kirche", es wäre doch wichtig, dass wir den Anschluss an die Weltkirche nicht verlieren, dass wir auch den Anschluss an Papst Franziskus nicht verlieren. Und so hat sich bei uns selbst eine autonome Gruppe herausgebildet, die dann diesen synodalen Prozess selbst in die Hand genommen hat, mit sehr viel Aufwand und mit sehr viel Engagement.

Wir haben einen Schlussbericht dann verfasst, auch nach einem längeren Prozess. Und das Schöne war, dass der Nuntius in Bern, Dr. Martin Krebs, uns zugesichert hat, diesen Schlussbericht nach Rom ins Synodensekretariat zu senden. Dort ist nun der Schlussbericht aus Liechtenstein, verfasst vom "Verein für eine offene Kirche".

DOMRADIO.DE: Was fordern Sie in diesem Schlussbericht?

Boss: Das Spannende ist eigentlich, dass wir sehr ähnliche Forderungen haben wie auch Deutschland oder Österreich. Es wundert mich, dass man den Synodalen Weg in Deutschland so kritisch gesehen hat von Rom her, weil die österreichischen Forderungen oder auch die liechtensteinischen und die schweizerischen ja sehr ähnlich gelagert sind wie in Deutschland.

Etwas, was bei uns jetzt speziell hinzukommt, ist, dass wir fordern, dass wir wieder Teil einer Bischofskonferenz sein wollen. Wir sind ja isoliert. Wolfgang Haas ist nicht mehr Teil einer Bischofskonferenz. Dieses Bistum wurde 1997 immediat errichtet, das heißt direkt dem Papst unterstellt. Und das, meine ich, ist ein großer Fehler.

Also das ist eine Spezialforderung, die bei uns drinsteht. Wir möchten unbedingt wieder einen Anschluss an das Bistum Chur oder möglicherweise an das Bistum St. Gallen oder Feldkirch. Geografisch gesehen liegen wir da mitten drin. Das wäre also alles möglich. Das ist so eine Forderung, die bei uns ganz stark herausgehoben wurde.

Günther Boss

"Wir haben die letzten 25 Jahre eine beschleunigte Säkularisierung erlebt."

DOMRADIO.DE: Was macht diese Isolation eigentlich mit dem kirchlichen Leben im Erzbistum? Sie sind ja da an der Quelle, Sie bekommen das ja mit.

Boss: Was wir feststellen, ist, dass es nicht so eine Rekatholisierung gab durch diesen Wolfgang Haas, wie sich das Johannes Paul II. vielleicht gewünscht hätte, dass wieder alle fromme Christen werden und der Kirchenbesuch wieder zunimmt und sogar die Politik christlich gefärbt wäre.

Im Gegenteil, ich behaupte immer, wir haben die letzten 25 Jahre eigentlich eine beschleunigte Säkularisierung erlebt. Wir waren doch in den 80er-Jahren noch ein ziemlich geschlossenes katholisches Milieu, aber modern, so wie die Schweizer Kirche auch aufgestellt ist. Und das ist nun komplett aufgebrochen.

Es haben gerade wieder 60 bis 70 Prozent der Leute gesagt, sie interessieren sich nicht mehr für die Kirche, und sie gehen auch nicht mehr hin. Ich meine, das sind doch deutliche Zeichen. Es ist eher zu einer Distanzierung von der katholischen Kirche gekommen.

DOMRADIO.DE: Haas wird jetzt an diesem Montag 75 Jahre alt und muss damit dem Papst seinen Rücktritt anbieten. Ob der direkt kommt, ist nicht gewiss, da zum Beispiel der genauso umstrittene Bischof von Chur, Haas Nachfolger dort, Vitus Huonder, auch vom Papst zwei Jahre über die Altersgrenze im Amt behalten wurde. Was denken und hoffen Sie? Wie wird es in Vaduz weitergehen? Es gibt ja Gerüchte, angefangen das ungeliebte Bischöfe aus Deutschland wie Georg Gänswein dort geparkt werden könnten, bis hin zur Wiederauflösung des Erzbistums.

Boss: Wir sind fast in einer schlimmeren Situation als 1997 in der Hinsicht, dass wir im Grunde überhaupt keine wirklich offiziellen Informationen bekommen haben. Das ist eine ganz unheimliche Situation, gerade auch für mich als Theologen. Offiziell wissen wir gar nichts.

Wir wissen, dass wir kein Mitspracherecht haben, denn wir haben kein Domkapitel und wir haben keine althergebrachten Rechte. Das heißt, wir wissen, dass ein Nachfolger einzig und allein durch den Heiligen Stuhl eingesetzt wird.

Wir sind immer davon ausgegangen, dass dieses Erzbistum nach der Amtszeit von Wolfgang Haas wieder aufgelöst wird und dass wir wieder zurückkommen zum Bistum Chur, wo wir ja über Hunderte von Jahren waren.

Das einzige, was wir aber zwischen den Zeilen auch durch den Nuntius und durch unsere Regierung jetzt erfahren haben, ist die Tatsache, dass man hier ein Erzbistum bzw. ein eigenes Bistum erhalten will. Man will dieses Bistum in seinen Grenzen erhalten. Zu allem weiteren wissen wir so gut wie gar nichts.

Das Interview führte Michelle Olion.

Verein für eine offene Kirche in Liechtenstein

Der Verein für eine offene Kirche entstand am 2. Februar 1998 als Reaktion auf die Errichtung des Erzbistums Vaduz.

In den folgenden Jahren wich der Protestcharakter des Vereins mehr und mehr der pastoralen Sorge um ein lebendiges Kirche-Sein in Liechtenstein.

Königsliechtenstein-Flagge / © Tobias Arhelger (shutterstock)
Königsliechtenstein-Flagge / © Tobias Arhelger ( shutterstock )
Quelle:
DR