Liberalen-Fraktionschef Watson lehnt Williamson-Auslieferung ab

"Nicht sinnvoll und nicht wünschenswert"

Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen im Europaparlament, der Brite Graham Watson, lehnt eine Auslieferung des britischen Holocaust-Leugners Richard Williamson nach Deutschland per Europäischem Haftbefehl ab. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur erläuterte er am Dienstag in Straßburg, warum eine Auslieferung des Traditionalistenbischofs zwar möglich, in seinen Augen aber nicht sinnvoll wäre.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

KNA: Herr Watson, Sie waren der Berichterstatter des Europaparlaments bei der Einführung des Europäischen Haftbefehls.
Könnte nach Ihrer Einschätzung Traditionalistenbischof Richard Williamson mit diesem Instrument nach Deutschland ausgeliefert werden?
Watson: Das wäre sicher möglich. Die britische Regierung hätte bei der Umsetzung der Regelungen zum Europäischen Haftbefehl die Möglichkeit gehabt, Ausnahmen von der Auslieferung dann vorzusehen, wenn es sich um Taten handelt, die nicht in beiden betroffenen Ländern strafbar sind. Sie hat darauf verzichtet. Daher ist eine Auslieferung rechtlich möglich, wenn die Deutschen das möchten.

KNA: Und hielten Sie eine Auslieferung für sinnvoll?
Watson: Nicht für sinnvoll und nicht für wünschenswert, und zwar aus zwei Gründen. Zuerst würde das in Großbritannien einen großen Streit über den Europäischen Haftbefehl auslösen. Wir hatten das schon einmal, als der Holocaust-Leugner David Irving nach Österreich ausgeliefert wurde. Ich möchte eine solche Diskussion aus dem Europawahlkampf heraushalten.
Zum zweiten handelt es sich bei dem Fall Williamson eher um ein innerkirchliches als um ein zwischenstaatliches Problem. Was ich sagen will: Ist der Papst bereit, eine klare Aktion dagegen zu unternehmen? Mir scheint, dass er wegen der Beziehungen zur Pius-Bruderschaft nicht bereit ist, solche klaren Schritte zu unternehmen, und ich bedauere das.

KNA: Wie kommt es, dass die Holocaust-Leugnung in Großbritannien nicht strafbar ist?
Watson: Das liegt an der Geschichte Großbritanniens. Wir haben immer großen Wert auf die Meinungsfreiheit gelegt. Wenn jemand zu Hass und Gewalt anstachelt, kann das bestraft werden - da gibt es Gesetze.
Wenn es aber um Diskussionen etwa im universitären Raum geht, dann gibt es eine lange Tradition der akademischen Freiheit. Ich verstehe und respektiere, warum Deutschland ein Gesetz gegen Holocaust-Leugnung hat - und warum es das in Großbritannien nicht gibt.

KNA: Nun haben sich ja erst gegen Ende vergangenen Jahres die EU-Justizminister darauf verständigt, gemeinsame Mindeststrafen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit einzuführen. Heißt das nicht, dass Großbritannien seine Gesetze auch zur Holocaust-Leugnung ändern muss?
Watson: Ja, es kann sein, dass Großbritannien seine Gesetze ändern wird. Es gibt auch schon eine Debatte darüber. Das ist keine einfache Diskussion, denn Euroskeptiker sagen dabei, dass es sich um ein Beispiel dafür handelt, wie Brüssel immer mächtiger wird als die eigene Regierung. Aber in den Umständen, wie wir sie seit den Attentaten von New York und Washington vom 11. September 2001 kennen, kann ich verstehen, dass eine Änderung der britischen Gesetze nötig sein könnte.