Merkel betonte in ihrer Dankesrede "immerwährende Verantwortung" der Deutschen für die moralische Katastrophe der Shoa. Sonst habe Deutschland kein Fundament für eine gute und menschliche Zukunft. Es gelte, mutig und dauerhaft im Alltag und eben nicht nur in Sonntagsreden gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenhass einzustehen.
"Null Toleranz für Intoleranz"
Die Bundeskanzlerin rief nachdrücklich zu Toleranz und Zivilcourage auf, die zwei Seiten derselben Medaille seien.
Toleranz dürfe eben nicht Beliebigkeit bedeuten, sondern müsse für eigene Werte einstehen und nicht schweigen. Dabei gelte auch der Leitsatz "Null Toleranz für Intoleranz". So dürfe man im Streit mit islamischen Fundamentalisten um Karikaturen und Operninszenierungen keine Kompromisse eingehen, da sonst eine "Kapitulation unserer Werteordnung" drohe. Kunst-, Meinungs- und Redefreiheit seien unveräußerliche Werte.
Zugleich hob die Kanzlerin die Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit und Existenz Israels hervor und drohte dem Iran im Konflikt um sein Atomprogramm weitere Sanktionen an. Angesichts der Bedrohung des Landes durch das Nuklearprogramm des Iran müssten dem Bekenntnis zum Existenzrecht Israels Taten folgen. So sei Deutschland, falls der Iran nicht einlenke, "entschieden zu weiteren und schärferen Sanktionen bereit", bekräftigte sie.
Biermann: Merkel passt in keine West- oder Ostschublade
Biermann, der seine Lobrede singend einleitete und beendete, bezeichnete Merkel als "gestandene Christin, promovierte FDJ-lerin und gutgelerntes Kind der DDR mit Karriere im Freiheitskrieg der Menschheit". Sie sei ihm nie wie ein Ossi vorgekommen und längst "eine Deutsche geworden, die in keine
West- oder Ostschublade reinpasst. Mit Verlaub, mein Fall kommt mir ähnlich vor", meinte der Liedermacher. Diese Passagen der Rede nahm Merkel mit erkennbarem Vergnügen auf.
Merkels Reden zum Nahostkonflikt hörten sich nicht "so sophisticated" an wie die ihres Vorgängers Gerhard Schröder (SPD), meinte Biermann. Dabei bewege sich die Kanzlerin "in bester Luthertradition: Eure Rede sei Ja Ja, Nein Nein." Scharf kritisierte Biermann Russlands Präsident Wladimir Putin. In seinem Umgang mit dem iranischen Staatschef Ahmadinedschad kopiere "Schröders lupenreiner Demokrat" den Diktator Stalin, der sich "1939 mit Hitler ungeniert ins Bett legte".
Knobloch: Verlässlicher Partner an der Seite Israels
Knobloch sagte, der Zentralrat ehre Merkel als Persönlichkeit, die Anlass zur Hoffnung gebe und sich wie Leo Baeck für die jüdische Gemeinschaft, ja für die Menschheit eingesetzt habe. Die Kanzlerin gebe ethische Verpflichtung niemals politischem Opportunismus preis. So sei etwa ihre Haltung im Iran-Konflikt besonnen und unmissverständlich. Auch in politisch schwieriger Zeit sei Merkel ein verlässlicher Partner an der Seite Israels.
Der Leo-Baeck-Preis wird seit 1956 meist jährlich verliehen. Er ist mit 10.000 Euro dotiert. Zu den bisherigen Preisträgern gehören unter anderen die früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, Roman Herzog und Johannes Rau, die Verlegerin Friede Springer sowie andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Deutschland. Im vorigen Jahr erhielt der Verleger Hubert Burda die Auszeichnung.
An der Ehrung Merkels nahmen rund 300 Gäste teil, darunter von Weizsäcker, die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, mehrere derzeitige Bundestagsvizepräsidenten, Generalsekretäre von Parteien sowie Fraktionsvorsitzende aus dem Bundestag. Auch der Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses (EJC), Mosche Kantor, war nach Berlin gekommen.
Leo-Baeck-Preis ehrt Merkel als "wehrhafte Demokratin"
"Von des Kanzlers Ostmädchen zu Schröders Fiasko"
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Leo-Baeck-Preis erhalten, die höchste Auszeichnung des Zentralrats der Juden in Deutschland. Zentralrats-Präsidentin Charlotte Knobloch bezeichnete Merkel bei der Preisverleihung am Dienstagabend in Berlin als wehrhafte Demokratin von herausragender Glaubwürdigkeit. Der Liedermacher Wolf Biermann lobte in einer launigen Laudatio ihren "verblüffenden Aufstieg von des Kanzlers Ostmädchen zu Schröders Fiasko und nun zur weltweit respektierten Frau". Er dankte nachdrücklich für Merkels strikte Haltung gegenüber Russland und dem Iran.
Share on