Leo-Baeck-Preis 2011 für den Bundespräsidenten

Wulff lädt Angehörige der Opfer von Neonazi-Mordserie ein

Bundespräsident Christian Wulff will Angehörige der Opfer der rechtsextremen Mordserie zu einem Gespräch empfangen. Deutschland profitiere von seiner Weltoffenheit und werde diese "ausbauen und verteidigen gegen alle, die Ängste vor Fremden und Fremdem schüren". Der Bundespräsident ist am Mittwoch mit dem Leo-Baeck-Preis 2011 ausgezeichnet worden.

 (DR)

Der Zentralrat der Juden in Deutschland würdigte damit das "herausragende, von aufrichtiger Empathie und von tiefer Verbundenheit mit der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, Israel und der Welt getragene Engagement" Wulffs, wie dessen Präsident Dieter Graumann erklärte. Der Bundespräsident habe sich als Mann des klaren Wortes und der deutlichen Signale präsentiert. Der Leo-Baeck-Preis wird jährlich verliehen und ist mit 10.000 Euro dotiert.



Pauschale Diffamierungen nicht zulassen

Wulff zeigte sich in seiner anschließenden Rede erschüttert über die Anschlagsserie des Thüringer Neonazi-Trios. "Wir brauchen ein Klima, das schon pauschale Diffamierungen nicht zulässt", betonte der Bundespräsident. Gegenüber den Hinterbliebenen dürfe Deutschland nicht sprachlos sein. Es sei wieder der Moment gekommen, Lichterketten zu veranstalten, um zu zeigen, welche Werte die Mehrheit der Gesellschaft verstehe, sagte Wulff.



Der Wortlaut des Artikels 3 des Grundgesetzes, dass niemand "wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden" dürfe, sei "für alle verbindlich", fügte er hinzu. An den Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, gerichtet, sagte Wulff: "Unser Land - Ihr Land - steht an Ihrer Seite!"



Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, verlangte eine "neue Entschlossenheit gegen Rechts". Angesichts des "faschistischen Killerkommandos, das unschuldige Menschen hingemetzelt hat", müsse es eine Palette von Maßnahmen gegen Rechtsextremismus geben. Graumann forderte zugleich mehr Empathie und Sensibilität gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen.



Graumann würdigt Wulffs Rede zur Deutschen Einheit 2010

Graumann würdigte das Engagement Wulffs für die Juden in Deutschland und für Israel. Lange hätten die Juden auf den Satz eines deutschen Staatsoberhauptes gewartet, dass das Judentum zweifelsfrei zu Deutschland gehöre, betonte Graumann mit Blick auf die Rede Wulffs zur Deutschen Einheit im vergangenen Jahr.



Einen seiner ersten Staatsbesuche machte Wulff im November 2010 nach Israel. In diesem Jahr hielt er als erstes deutsches Staatsoberhaupt am Holocaust-Gedenktag im ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz eine Rede. Zudem nahm Wulff an der Einweihung der neuen Synagogen in Mainz und in Speyer teil.



Wulff bezeichnete in seiner Danksagung die Preisverleihung als "außerordentlichen Vertrauensbeweis". Der Preis sei ihm Freude und Ermutigung, aber auch Anspruch und Verpflichtung. Der Namensgeber des Preises, Leo Baeck, stehe "für die Jahrtausende alte jüdische Kultur, die ein prägender und untrennbarer Teil unserer Kultur in Deutschland war, ist und bleibt". Seine Lebensgeschichte stehe aber auch "für den beispiellosen Zivilisationsbruch, den Deutsche an ihren Mitbürgern begangen haben". Angesichts des unendlichen Leides, das diese Barbarei über Europa gebracht habe, empfinde er "Scham und Schmerz", so der Bundespräsident.



Wulff zum Siedlungsbau in Israel

Zugleich zeigte er sich erfreut über die "Renaissance jüdischen Lebens in Deutschland". Das Land sei damit "auf dem Weg, zu seiner Identität zurückzufinden". Die Verantwortung Deutschlands gelte aber auch dem jüdischen Volk weltweit "und vor allem in Israel", erklärte Wulff. Das Existenzrecht des Staates Israel sei "für uns nicht verhandelbar". Die israelische Regierung ermutigte er "zu schwierigen und unpopulären Entscheidungen, auch beim Siedlungsbau".



Die wichtigste Auszeichnung des Zentralrates erinnert an den Rabbiner Leo Baeck (1873-1956), der durch sein soziales und politisches Engagement für die jüdische Glaubensgemeinschaft zu einem Vorbild seiner Zeit wurde. Der Preis wird seit 1957 vergeben. Der Zentralrat ehrt damit Persönlichkeiten, die sich in herausragender Weise für die jüdische Gemeinschaft eingesetzt haben und denen es gelungen ist, aus den dunklen Kapiteln deutscher Geschichte Lehren für die Zukunft zu ziehen. Preisträger in den vergangenen Jahren waren etwa DFB-Präsident Theo Zwanziger, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Verleger Hubert Burda und Friede Springer, sowie die früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und Roman Herzog.