domradio.de: Sie waren gestern in Dresden. Was waren das für Szenen, die sich da abgespielt haben?
Thomas Arnold (Leiter der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen): Ich war beim Gottesdienst in der Frauenkirche mit dabei und man muss konstatieren, dass es ein bedrückendes Gefühl war. Man musste beim Eingang durch Sicherheitsschleusen gehen. Es war ganz anders, als wenn man an die Bilder von 1989 denkt, als an der Ruine der Frauenkirche der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl sprach und begeistert empfangen wurde. Diesmal war alles abgeriegelt. Bereits vor dem Gottesdienst standen Leute draußen und haben uns beschimpft, dass wir zur Elite gehören und reingehen könnten und sie eben nicht. Ich glaube das ist ein Bild dafür, was für eine Stimmung gestern herrschte, dass Menschen sich ausgegrenzt und distanziert fühlen und deswegen alle beschimpft haben.
domradio.de: Der Hass war also nicht gezielt, sondern breit gestreut?
Arnold: Richtig. Alle, die an dem Gottesdienst teilgenommen haben, wurden als Volksverräter beschimpft. Es wurden Parolen "Haut ab!" gerufen. Selbst wir, die zum Abschluss rausgegangen sind und wo keine Bundespolitiker mehr zu sehen waren, wurden beschimpft. Wir wurden auch einzeln fotografiert, wo ich mich frage, was die Leute später mit den Bildern vorhaben, denn es waren sicherlich keine Pressevertreter, die die Fotos gemacht haben.
domradio.de: Haben Sie sich bedroht gefühlt?
Arnold: Es war einfach ein beklemmendes Gefühl, ein Gefühl von Hass, Aggression und fehlender Differenzierung, wo man nicht weiß, gegen was oder gegen wen das eigentlich gerichtet ist. Es herrschte einfach eine Verallgemeinerung und da wurde ganz klar mit der Angst Geschäft gemacht.
domradio.de: Im vergangenen Jahr fanden die zentralen Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit in Frankfurt am Main statt. Da waren keine besonders großen Ausschreitungen zu verzeichnen. War das für Sie jetzt typisch für Dresden, dass die Proteste dermaßen laut waren?
Arnold: Es ist natürlich typisch für die aktuelle Situation, die mit Pegida in Dresden noch einmal eine ganz besondere Aufmerksamkeit bekommt. Trotzdem muss man aufpassen, dass man nicht ganz Dresden oder Sachsen über einen Kamm schert. Es ist im Moment eine Situation, in der verschiedene Pole aufeinanderprallen, gerade besonders in Dresden. Trotzdem war es am Ende ein fröhliches Fest, trotz des mäßigen Wetters und der Demonstrationen. Aber ja, es gibt diese Störer, die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit ausnutzen, um nicht mehr miteinander zu sprechen, sondern einfach nur noch ihren Hass und ihre Aggression zu äußern.
domradio.de: Wie soll es denn in Zukunft weitergehen? Gerade im Hinblick auf diese Situation von gestern?
Arnold: Das ist eine gute Frage. Mein Eindruck ist, dass wir mit denen, die sprechen wollen, die den Dialog wollen, auch kommunizieren müssen. Wir müssen fragen, was die Ängste dieser Menschen sind, erforschen, was sie bedrückt und herausfinden, was den Hass gegen Eliten und die Menschen, die Verantwortung tragen, schürt. An dieser Stelle muss man auch noch einmal deutlich Respekt allen Menschen aussprechen, die sich gesellschaftlich und politisch immer noch und weiterhin einbringen und etwas in der Gesellschaft in unserem Land verändern wollen. Aber man muss auch zu den Personen abgrenzen, die nur noch schreien, menschenverachtend Leute ohne jegliche Differenzierung beschimpfen. Da muss man sagen, da endet auch ein Dialog. So funktioniert das einfach nicht.
Das Interview führte Tobias Fricke.