Dafür sind Eltern da

Leise rieselt der Schnee

"Spiel doch mal, was du gerade übst", ermuntert ein Freund unseren Kleinen. Der ehrfürchtig an der imposant thronenden Orgel einer romanischen Basilika sitzt. Seine aktuelle Literatur: "Leise rieselt der Schnee". Gleich die ersten Töne lassen ihn die Hände von den Manualen zurückreißen. Zu überwältigend, zu schön der mächtige Klang der Orgel. Das Kind nimmt all seinen Mut zusammen: Sanft wie Flocken schweben die Töne durch das hohe Kirchenschiff.

Orgel / © Tim Gouw
Orgel / © Tim Gouw

Das ganze Kind leuchtet. Hier passiert etwas Besonderes: Eine Seele selbst meldet sich zu Wort. Sagt: die Orgel gehört zu mir, ich zur Orgel. Zusammen werden wir das Glück in der Welt vergrößern.

Als der Kleine Klavier spielen wollte, hatte er uns ein Rätsel aufgegeben. Lernen ist immer Qual für ihn. Und Klavierspielen ist lernen. Viel lernen. Irgendwann schloss ich die Haustür auf. Hörte wie das Klavier „kleines Senfkorn Hoffnung“ spielte. Wer spielte? Der Kleine, der gerade mal vier Töne beherrschte, ja wohl kaum. Und war es doch.

Gigantisch muss seine Anstrengung gewesen sein, als er sich, Kinderchormappe rechts, elementare Klavierschule links, Note für Note die Melodie erarbeitet hatte. „Aber Mama, ich will doch die Lieder in der Kirche spielen!“ Mich beschlich eine Ahnung, die auf der Orgelempore in der Basilika zur Gewissheit wurde: Deshalb der glühende Klavierwunsch!

Mein Mann und ich sind uns einig: wenn unsere Kinder für etwas brennen, müssen wir Brennholz und Anzünder bereitstellen. Allerdings, wie wir dieses Brennholz auftreiben, darin sind wir äußerst verschieden.

Ich machte mich auf den Weg zu unserer Heimatpfarre, um zu fragen, ob das Kind an der Orgel üben dürfe. Mein Mann gab spätabends ein Gebot bei Ebay ab. Für 20 Euro 40. Als er wieder wach wurde, besaßen wir eine Orgel. Für Selbstabholer in Bremen.

Als mein Mann von der ersten Fahrt zurück kam, war fand sich im Kofferraum nur eine Orgelbank. Leider, trotz Ausmessen vorher, habe die Orgel nicht ins Auto gepasst. Also ins Auto an sich schon, aber nicht durch die Tür. Die zweite Tour, mit dem Kleinbus eines Freundes, war dann erfolgreich.

Drei Jahre übt das Kind an dieser zauberhaften alten Hammondorgel in seinem Zimmer – und zweimal in der Woche an der Gemeindeorgel. An der er diese Woche sein Debüt und vier kleine, einfache Lieder gespielt und rauschenden Applaus bekommen hat.

Wenn Sie irgendwann in einer Kirche Schneeflocken rieseln hören - dann hat das Kind sein Ziel erreicht.