Lehmann: Islamistische Terroristen haben an Boden gewonnen

11.9.: Fünf Jahre danach

Fünf Jahre nach den Anschlägen des 11. September hat nach Ansicht von Kardinal Karl Lehmann der islamistische Terrorismus Auftrieb gewonnen. "Jene Kräfte, die den Islam zu einer totalitären Ideologie des gewalttätigen Kampfes gegen alle 'Ungläubigen' umformen wollen, haben in den letzten Jahren eher an Boden gewonnen", sagte Lehmann in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur.

 (DR)

Fünf Jahre nach den Anschlägen des 11. September hat nach Ansicht von Kardinal Karl Lehmann der islamistische Terrorismus Auftrieb gewonnen. "Jene Kräfte, die den Islam zu einer totalitären Ideologie des gewalttätigen Kampfes gegen alle 'Ungläubigen' umformen wollen, haben in den letzten Jahren eher an Boden gewonnen", sagte Lehmann in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur. - Im domradio erinnerte sich Wilfried Wassermann, Pastor der Deutschen evangelisch-lutherischen Saint-Pauls-Kirche mitten in New York. - In Köln haben muslimische Verbände und Migrantenorganisationen der Opfer gedacht.

Lehmann: "Irak-Konflikt bislang desaströs verlaufen"
Islamisch geprägte Länder "von Nordafrika bis Pakistan, ja sogar auch Indonesien", befinden sich laut dem der Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz "in einem Zustand wachsender Unruhe". Zudem habe der "bislang desaströs verlaufende Irak-Konflikt" dem islamistischen Terrorismus weltweit zusätzlichen Auftrieb verliehen.

Mit Blick auf den Irak sagte Lehmann, es zeige sich, dass eine Diktatur zwar mit militärischen Mitteln gestürzt werden könne. Menschenrechte und Demokratie ließen sich aber nicht einfach exportieren, wenn die historischen und kulturellen Voraussetzungen fehlten. Allerdings suchten viele Menschen in muslimischen Staaten nach mehr individuellen Freiheiten und verlangten nach größerer gesellschaftlicher Offenheit. Hier müsse der "lange und schmerzliche Weg" zur Überwindung des Fundamentalismus beginnen, forderte der Kardinal.

"Stärkeres Interesse am Islam"
Den Umgang von Muslimen und Christen in Europa würdigte Lehmann als respektvoll. Zwar fühlten sich einige jüngere Muslime der zweiten und dritten Einwanderergeneration vom radikalen Islamismus angezogen, was bei manchen Europäern Unbehagen gegenüber der ganzen Religion des Islam hervor. "Unter den gesellschaftlich Verantwortlichen sehe ich allerdings niemanden, der die Muslime unter Generalverdacht stellt", betonte der Bischofskonferenzvorsitzende. Die Bürger wüssten gut zwischen ihren muslimischen Mitbürgern und Gewalttätern zu unterscheiden. "Gerade die Schockerfahrung des 11. Septembers hat weithin sogar ein stärkeres Interesse am Islam geweckt. Man will Vorurteile vermeiden und bemüht sich um vertiefte Information", so Lehmann.

Der Kardinal trat der Interpretation entgegen, dem islamistischen Terrorismus liege ein Konflikt zwischen Christentum und Islam zu Grunde. Zwar bestehe die Gefahr, dass sich auf den Islam berufende Terroristen immer mehr Muslime in eine Gegnerschaft zum Christentum und zu einem als dekadent empfundenen Westen hineintrieben. "Nicht zuletzt" gehe es aber um einen innerislamischen Konflikt über die Deutung der eigenen heiligen Schriften und damit um das Selbstverständnis des Islam, zum Beispiel das Verhältnis zur Moderne. Diese Auseinandersetzung sei durch den Dialog der Religionen letztlich nicht zu lösen.

"Terror ohne Rechtfertigung im Islam"
Ihre Mitglieder haben die Verbände zu Friedensgebeten aufgerufen. "Wir gedenken der Opfer und der Angehörigen dieses Anschlags, der sich gegen Unschuldige richtete und unter denen auch Muslime waren", heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. "Terror findet im Islam keine Rechtfertigung."

Die Gruppen beklagten, nach dem 11. September sei eine Islamfeindlichkeit entstanden, der entschiedener entgegen gewirkt werden müsse. Der weltweite Kampf gegen Terror, Gewalt und Extremismus führe nur zum Erfolg, wenn die Ursachen der Probleme an ihrer Wurzel bekämpft würden. Gerechtigkeit, Respekt und Solidarität müssten in den Mittelpunkt des täglichen Handelns rücken, erklärten die muslimischen Verbände.
(KNA, ddp, dr)