Kunstexperte sieht in spanischem Jesus-Poster keinen Skandal

"Lange Bildtradition des schönen Christus"

Makelloses Aussehen und das Leichentuch als Lendenschurz. Ein Jesus-Plakat für die berühmte Semana Santa in Sevilla sorgt für Empörung. Darf der Auferstandene so aussehen? Museumsdirektor Stefan Kraus kennt einige andere Beispiele.

Auf diesem vom Consejo de Hermandades de Sevilla via AP veröffentlichten Foto ist das Plakat für die religiöse Oster-Karwoche in Sevilla 2024 abgebildet.  / ©  Uncredited/Consejo de Hermandades de Sevilla/AP/ (dpa)
Auf diesem vom Consejo de Hermandades de Sevilla via AP veröffentlichten Foto ist das Plakat für die religiöse Oster-Karwoche in Sevilla 2024 abgebildet. / © Uncredited/Consejo de Hermandades de Sevilla/AP/ ( dpa )

DOMRADIO.DE: Den einen ist er zu makellos, den anderen zu nackt. Das Plakat des sevillanischen Künstlers Salustiano Garcia Cruz zeigt einen jungen, gut aussehenden Jesus. Die Darstellung ist für die Oster-Feierlichkeiten in Sevilla. Können Sie die Aufregung um die Darstellung von Jesus nachvollziehen?

Dr. Stefan Kraus (Leiter des Museums Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln):  Nein, auch wenn ich Gründe dafür und Mechanismen verstehe, die dazu führen. Leider ist unsere Zeit immer bereit, einen solchen Hype auch medial zu befeuern. Ein Hinweis auf Michelangelos Auferstandenen Christus in Santa Maria sopra Minerva in Rom – immerhin Grabeskirche zahlreicher Päpste – sollte genügen, um die lange Bildtradition des schönen Christus zu belegen. 

Der auferstandene Christus von Michelangelo in Santa Maria sopra Minerva / © Filipe.Lopes (shutterstock)
Der auferstandene Christus von Michelangelo in Santa Maria sopra Minerva / © Filipe.Lopes ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Auch der Heilige Sebastian wird oft sehr ästhetisch dargestellt, auch manche Jesus-Darstellung am Kreuz hat wenig mit einem Tod nach Folter zu tun. Sind solche Darstellungen wie jetzt auf dem Plakat kunsthistorisch also eher die Regel als die Ausnahme? Gibt es für ästhetisierte Darstellungen viele Beispiele? 

Kolumba-Museumsdirektor Dr. Stefan Kraus / © Tomasetti (DR)
Kolumba-Museumsdirektor Dr. Stefan Kraus / © Tomasetti ( DR )

Kraus: Das prominenteste Beispiel in unserer Sammlung ist der romanische Elfenbeinkruzifixus, der immer an fester Stelle gezeigt wird. Christus ist auch hier völlig unversehrt dargestellt, wirkt sanft und in sich ruhend, ohne die Zeichen seiner Folter und seines Kreuzestodes. Geringe Spuren roter Farbe, mit denen die Wunden angedeutet sind, stammen aus jüngerer Zeit. Auch die Heiligen zeigen die Werkzeuge ihrer Folterungen, die sie erlitten haben, meist nur als Attribute und sind in der Mehrzahl als unversehrte und meist schöne Menschen dargestellt. 

Stefan Kraus

"Alle Darstellungen in der Kunst sind abhängig vom Zeitgeschmack."

Alle Darstellungen in der Kunst sind abhängig vom Zeitgeschmack und von sich wandelnden Bedürfnisse, der sich verändernden Frömmigkeit eine Anschauung zu geben. Mal steht der Eindruck des leiblich Auferstandenen mehr im Fokus, mal mehr das Bedürfnis, den erfahrenen Schmerz mitleidend erleben zu wollen.

DOMRADIO.DE: Der Künstler wehrt sich gegen die Vorwürfe, wie geht man Ihrer Erfahrung als Museumsdirektor nach am besten mit den vermeintlich oder tatsächlich verletzten Gefühlen von Gläubigen um?

Kraus: Museen sind grundsätzlich dazu da, ästhetische Vorurteile durch Kontextualisierung und durch verschiedenste Wege der Vermittlung abzubauen. Das ist in unserer Zeit, in der sich alles und jede(r) polarisiert ein ganz wichtiger Auftrag. 

Stefan Kraus

"Was ist daran auszusetzen, wenn man den Menschen als Abbild Gottes in seiner Schönheit zeigt?"

Es ist im seltensten Fall die Absicht der Kunst, zu provozieren. Meist ist die vermeintliche Provokation ein Resultat fehlender Kenntnis oder falscher Kriterien. Was ist daran auszusetzen, wenn man den Menschen als Abbild Gottes in seiner Schönheit zeigt? 

Ob es mich dann als künstlerische Leistung überzeugt, steht übrigens auf einem anderen Blatt, aber vergessen wir nicht, dass Christus als junger Mann gestorben ist, was mit den Umständen seines Todes der eigentliche Skandal der Geschichte ist.

Die Fragen stellte Mathias Peter.

Kunstmuseum Kolumba

Kolumba ist das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, das 1853 als Diözesanmuseum Köln gegründet wurde. Zweitausend Jahre abendländischer Kultur sind in einem Haus zu erleben. In der Kunst mit Werken der Spätantike bis zur Gegenwart.

Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln / © Julia Steinbrecht ( KNA )

 

Quelle:
DR