Kunstausstellung in St. Heribert greift Fragen der Zeit auf

Gott und die Welt in Kölner Kirche

Sie ist vor zweieinhalb Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten, jetzt stellt die Künstlerin Katja Wickert in einer katholischen Kirche aus. Ab Sonntag zeigt sie Bilder der Serie "Gott und die Welt" in St. Heribert in Deutz.

Autor/in:
Hilde Regeniter
Die Ausstellung "Gott und die Welt“ in der Kölner Kirche Sankt Heribert mit der Künstlerin Katja Wickert / © Jens Hüttenberger
Die Ausstellung "Gott und die Welt“ in der Kölner Kirche Sankt Heribert mit der Künstlerin Katja Wickert / © Jens Hüttenberger

Als die Anfrage des Vereins deutzkultur kam, ob sie nicht Arbeiten in der katholischen Kirche Sankt Heribert an der Deutzer Freiheit ausstellen wolle, zögerte Katja Wickert zunächst. "Erst austreten, dann hier ausstellen? Kann ich das machen?" 

Am Ende hat sie "Ja" gesagt. "Weil es mir eine Möglichkeit gibt, das einzubringen, was ich auf andere Weise nicht geschafft habe: Die Diskrepanzen, die ich empfinde, in der Kirche zu zeigen." Schließlich versteht die bildende Künstlerin ihren Austritt aus der Kirche auch nicht als grundsätzliche Abkehr von Kirche und Glauben, sondern als Zeichen, dass sie mit der Institution in vielem grundsätzlich nicht einverstanden ist. 

Die Ausstellung "Gott und die Welt“ in der Kölner Kirche Sankt Heribert mit der Künstlerin Katja Wickert / © Jens Hüttenberger
Die Ausstellung "Gott und die Welt“ in der Kölner Kirche Sankt Heribert mit der Künstlerin Katja Wickert / © Jens Hüttenberger

"Kirche braucht die Jugend und die Kirche braucht Veränderung"

Dass sie sich von der Kirche zum Beispiel dringend Erneuerung wünscht und ein stärkeres Zugehen auf junge Leute, spiegelt sich in einem der sieben Exponate, die Wickert jetzt in Sankt Heribert präsentiert. 

Ältere Menschen sind da zu sehen, die in einer Kirche sitzen; viele Bänke bleiben leer. Überlagert wird die Szene von einem anderen Bild - vom Auftritt der Hamburger Rockband Tocotronic auf einem Festival. Dass Tocotronic 1994 einen Hit namens "Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein" hatten, war Katja Wickert gar nicht bewusst, es stellte sich erst beim Hängen der Bilder heraus. "Aber das setzt sozusagen noch einen oben drauf: Die Kirche braucht die Jugend und die Kirche braucht Veränderung." 

Widersprüchlichkeiten durch Wachs verbunden 

Ambivalenzen und krasse Gegensätze, ja Widersprüchlichkeiten prägen alle in der Kirche ausgestellten Werke Wickerts: Da trifft die Armut einer Flüchtlingsfamilie auf Werbung für Billig-Lebensmittel; die Geborgenheit in der Familie wird von Einsamkeit auf dem Schlachtfeld kontrastiert. 

Während im Hintergrund ein Waldbrand wütet, schenkt jemand ein Glas prickelnden Champagner ein. Für die gesamte Bilderreihe bediente sich die Künstlerin einer Technik, die sie per Zufall im Atelier entdeckt hat. Als sie einmal mit Wachs arbeitete, tropfte etwas davon auf ihren mit alten Zeitungen ausgelegten Tisch. Den Effekt fand sie verblüffend: Vorder- und Rückseite verschmolzen zu einer einzigen Seite; Bilder und Texte, Inhalte und Aussagen legten sich quasi übereinander: "Da haben sich zwei Bilder überlagert, die auf einmal miteinander eine Geschichte angefangen haben zu erzählen."

 © Katja Wickert (privat)

Katja Wickert beleuchtete die neu entstandenen Bilder von hinten, fotografierte sie und zog schließlich die vergrößerten Fotos auf LKW-Plane ab. Im Einheitsformat von 1,80 Meter mal 1,50 Meter hängen sie nun in der Kirche und bringen die großen Fragen unserer Zeit in den Raum. 

Den Klimawandel bei ungebremstem Konsum zum Beispiel, eskalierende Kriege in einer nur vordergründig friedliebenden Gesellschaft oder prekäre Lebensverhältnisse des einen Teils der Bevölkerung angesichts gedankenloser Verschwendungssucht des anderen. Alles gleichzeitig, alles neben- und übereinander, sich widersprechend und doch überlappend.   

Wie umgehen mit alledem, wie als Gesellschaft, wie als Einzelner den großen Herausforderungen unserer Zeit begegnen? Wickerts Bilder werfen diese Fragen auf. Allerdings will die Künstlerin keinesfalls mit dem erhobenen Zeigefinger wedeln. "Ich habe diese Geschichten selbst zufällig gefunden und will das auch genauso zeigen." 

Viel Raum für Interpretation

In diesem Sinne erschließt sich vieles nicht gleich auf den ersten Blick. So sind zwar Kinder auf einem vom Krieg zerstörten Spielplatz relativ leicht zu erkennen, strecken sie doch Teile einer Rakete in die Kamera. Wer aber dahinter die Frauen in Schwarzwald-Tracht als Verkörperung von Heimat und Tradition im Gegensatz zu Krieg und Zerstörung entschlüsseln will, muss schon ganz genau hinschauen. Die Bilder lassen allesamt viel Raum für Interpretation und entwickeln in ihrer Vielschichtigkeit zugleich große Intensität.

 © Katja Wickert (privat)

"Ein Kirchenraum hat eine eigene Kraft, zumal ein Raum mit so vielen dekorativen Elementen wie der von Sankt Heribert. Da muss Kunst die Kraft haben, trotzdem sichtbar zu bleiben", sagt Katja Wickert. 

Die sieben Arbeiten ihrer Serie "Gott und die Welt" schaffen das zweifelsohne. Dass sie zudem auf ganz neue Weise in Verbindung treten mit der Architektur des Gotteshauses, den Skulpturen und den Bildern vor Ort und nicht zuletzt mit den Besucherinnen und Besuchern, gefällt der Künstlerin besonders gut. "Das sind auch wieder Überlagerungen, die so nicht geplant waren, aber doch gemeinsam eine ganz neue Geschichte erzählen."

Quelle:
DR