Künftiges Jesuitenoberhaupt fordert weitere Missbrauchsaufklärung

"Gesprächsfäden nicht reißen lassen"

Das künftige deutsche Jesuitenoberhaupt Johannes Siebner fordert eine weitere Aufarbeitung der Missbrauchsfälle am Bonner Aloisiuskolleg. Siebner betonte, die Kollegsgemeinschaft müsse offen und ansprechbar für Betroffene bleiben.

Autor/in:
Ebba Hagenberg-Miliu
Johannes Siebner / © Harald Oppitz (KNA)
Johannes Siebner / © Harald Oppitz ( KNA )

Vor seinem Abschied als Rektor des Jesuitengymnasiums an diesem Donnerstag sagte Siebner dem Evangelischen Pressedienst (epd), gründliche Aufarbeitung sei ein zentraler Aspekt von guter Prävention. "Kinder und Jugendliche, die sehen und spüren, dass eine Institution wach ist und verstanden hat, werden sich eher anvertrauen und um Hilfe bitten, wenn ihnen Unrecht geschieht", sagte der Pater, der im Juni in München sein neues Amt als Jesuitenprovinzial antritt. Neuer Rektor des Aloisiuskollegs wird der Hamburger Pater Martin Löwenstein.

Von der Aufklärung hin zur Aufarbeitung

Im Umgang mit den Missbrauchsfällen der Vergangenheit brauche es einen Prozess von der Aufklärung hin zur Aufarbeitung. Es gehe "um ein immer besseres und tieferes Verstehen der Vorfälle und des Umfelds, in dem sie geschehen sind".

Siebner wurde 2011 Rektor des Bonner Aloisiuskollegs, das tief in den bundesweiten Skandal um Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen verstrickt war, und setzte sich intensiv für die Aufklärung ein. Nach seinem Amtsantritt habe er eine "anspruchsvolle und durchaus schwierige Zeit für alle Beteiligten" erlebt, sagte der 55-jährige Jesuitenpater.

Am Kolleg habe eine große Enttäuschung über den Jesuitenorden und ein Misstrauen geherrscht. "Nicht ohne Grund", sagte Siebner. Im Kontakt mit den von Missbrauch Betroffenen habe ihn berührt, dass er auch Vertrauen und das Ringen um Vertrauen erlebt habe. "Ich habe auch erlebt, dass Gesprächsfäden gerissen und Begegnungen abgebrochen sind. Das ist dann schmerzhaft."

Öffentliche Erklärung des Kollegs

Besonders in Erinnerung sei ihm auch die Arbeit des Dialogkreises der Kollegsgemeinschaft mit Betroffenen und der Bonner Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt geblieben, berichtete Siebner. Daraus sei die wichtige öffentliche Erklärung des Kollegs vom Januar 2016 entstanden, in der klargemacht wurde, "dass die Missbrauchsfälle bleibend Teil der Kollegsgeschichte sind und nicht in Vergessenheit geraten dürfen", sagte der Pater. "Dahinter gibt es kein Zurück und kein Verstecken."

Die Deutsche Provinz der Jesuiten mit Sitz in München zählt 346 Mitglieder an 30 Orten in Deutschland und Schweden. Schwerpunkte der Arbeit sind Hochschulen in Frankfurt am Main, München und im schwedischen Uppsala, Gymnasien in Berlin, Bonn-Bad Godesberg und St. Blasien sowie die City-Seelsorge in Berlin, Hamburg, Köln, München und Nürnberg. Der Orden unterhält den Jesuiten-Flüchtlingsdienst und die Jesuitenmission, die Hilfsprojekte weltweit unterstützt.


Quelle:
epd