Kritik an Umgang mit Toten nach Leichendiebstahl bei Berlin

Mindeststandards bei Bestattungen

Nach dem Diebstahl eines Transporters mit zwölf Leichen bei Berlin wächst die Kritik am Umgang mit Gestorbenen durch Billigbestatter. Der Transporter mit den Särgen war Anfang der Woche gestohlen worden. Die Leichname sollten in ein Krematorium nach Sachsen gebracht werden, weil die Einäscherung dort billiger ist als in Berlin und Brandenburg.

 (DR)

Es sei fragwürdig, menschliche Leichname "in einer Form zu bestatten, die eher an ein Entsorgen von Tierkadavern erinnert", sagte der Leiter des Ethikzentrums Jena, Nikolaus Knoepffler, am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Verwalter des größten evangelischen Friedhofs in Deutschland, Olaf Ihlefeldt, forderte bundesweit verbindliche Mindeststandards für Bestattungen.



Die Bundesländer müssten dafür sorgen, dass Gestorbene bei Feuerbestattungen wie früher in Berlin üblich "wohnsitznah" eingeäschert werden müssen, sagte der Chef des Stahnsdorfer Südwestkirchhofs dem epd. Der mehr als 200 Hektar große Friedhof mit weit über 100.000 Gräbern liegt zwischen Potsdam und Berlin. Die denkmalgeschützte Begräbnisstätte wurde 1909 eröffnet.



Bestattungs- und Leichentourismus

Auch die Art und Weise der Überführung von Särgen und die Zahl der Leichname, die in einem Fahrzeug transportiert werden dürfen, müssten klar festgelegt werden, betonte Ihlefeldt. Der Fall in Dahlwitz-Hoppegarten am Berliner Stadtrand, der durch den Diebstahl des Transporters bekannt wurde, sei ein Skandal, sagte der Friedhofsverwalter. "Tote ohne jede Rücksicht auf Pietät und Würde zu "verladen" und gestapelt durch das Land zu transportieren, ist die Krönung des Werteverfalls, unabhängig ob aus religiöser oder weltlicher Sicht."



Diese Art von "Bestattungs- und Leichentourismus" sei bereits seit vielen Jahren in Deutschland bekannt, kritisierte Ihlefeldt.

"Bestatter bieten heute regelrechte "Bestattungspakete" an: Billig - Mittelklasse - Teuer."



Zeichen von Kultur und Menschlichkeit

Es sei ein Zeichen von Kultur und Menschlichkeit, Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen, sagte Knoepffler, der das Ethikzentrum an der Universität Jena gegründet hat. Auch wenn diese Pietät und die Würde des Verstorbenen nicht mit der Menschenwürde lebender Menschen verwechselt werden dürfe, "bedeutet sie doch, dass wir mit menschlichen Leichnamen nicht wie mit beliebigen Dingen umgehen sollten".



Dass verbindliche Mindeststandards für Bestattungen zu einem würdevolleren Umgang mit Toten führen könnten, bezweifelte Knoepffler jedoch. Ob eine Verschärfung von Regelungen dazu führe, "dass der pietätvolle Umgang mit menschlichen Verstorbenen, für die niemand Interesse hat, zunimmt", sei offen. Der Philosoph, Staatswissenschaftler und Theologe leitet den ersten in Deutschland eingerichteten Lehrstuhl für angewandte Ethik und ist auch am laufenden Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zum pietätvollen Umgang mit menschlichen Leichnamen beteiligt.