Kriminelle Jugendliche sollen durch Extrem-Wandertour von weiteren Straftaten abgehalten werden

Pädagogik in der Höhle

Die Erschöpfung ist ihnen anzusehen. Über drei Stunden lang haben sich die elf Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch die Kluterthöhle in Ennepetal gekämpft. Sie wateten durch einen schlammigen Fluss und robbten sich auf dem Bauch durch einen schmalen Gang, der ihnen kaum genug Platz ließ, die Arme zu bewegen. Doch die Tour diente nicht dazu, die Abenteuerlust der jungen Leute zu befriedigen. Die Bewährungshilfen in Schwelm und Hagen erhoffen sich vielmehr, ihre Schützlinge durch die extreme Wandertour von zukünftigen Straftaten abhalten zu können.

Autor/in:
Tonia Haag
 (DR)

"Natürlich habe ich nicht die Illusion, dass die Jugendlichen durch eine Tour ihr ganzes Verhalten ändern", sagte Conny Pohl, Bewährungshelferin am Landgericht Hagen. Doch Erfahrungen aus einer früheren Höhlenwanderung zeigten, dass sich Erlebnisse aus der Höhle für den Alltag nutzen ließen. "Die Tour kann zum Beispiel als 'Türöffner' dienen", erläutert Pohl. So habe ein äußerst verschlossener Junge bei der jüngsten Klettertour plötzlich angefangen, von sich zu erzählen. "Diese neue Vertrauensbasis ist enorm wichtig für die alltägliche Arbeit mit den Jugendlichen."

Doch nicht nur das Vertrauensverhältnis liegt der Bewährungshelferin am Herzen. Bei der Tour sollen die jungen Leute auch ihre eigenen Grenzen, ihre Stärken und Schwächen entdecken. "Dabei dürfen sie ruhig sehen, dass sie etwas besser können als wir", sagt Pohl. Denn dies stärke die Verbindung zwischen Jugendlichen und Bewährungshelfern und baue vor allem das Selbstbewusstsein der jungen Leute auf. "Das ist extrem wichtig, denn viele von ihnen denken, sie könnten nichts, sie seien nichts wert." Die Folge dieses mangelnden Selbstbewusstseins seien oft Gewaltausbrüche - "ein Aufschrei nach Aufmerksamkeit", erläutert Pohl.

So viele pädagogische Hintergedanken scheinen die Jugendlichen wenig zu interessieren. "Die ganze Tour bringt gar nichts", schimpft einer der zehn Jungs und verzieht das Gesicht: "Es war ekelig, mit den Füßen durch den Fluss zu laufen. Ich hatte immer Angst, dass mich Schlangen oder andere Tiere angreifen. Man hat in dem dreckigen Wasser gar nichts gesehen", beschwert er sich. Noch einmal werde er die Tour daher nicht machen. "Nur für Geld, aber doch nicht umsonst!", sagt er und schiebt dann hinterher: "Aber das Klettern war schon super."

Das einzige Mädchen der Gruppe ist vor allem erleichtert, die dunklen Gänge der Höhle endlich hinter sich gelassen zu haben. Ungeduldig streift sie sich den ehemals weißen Schutzanzug ab, der nun mit einer feuchten Dreckschicht überzogen ist. "Da drinnen habe ich voll Panik bekommen, weil alles so eng war", sagt sie immer noch ein wenig außer Atem. Und dann nach kurzem Nachdenken: "Aber wir haben alles geschafft. Ich kann's kaum glauben!"

Für Pohl ist die Höhlenwanderung gut verlaufen. "Die Jugendlichen haben sich gegenseitig geholfen, angefeuert und Mut gemacht. Sie haben gesehen, was man gemeinsam alles erreichen kann und wo ihre Stärken liegen. Das ist für uns ein großer Erfolg", sagt die Bewährungshelferin.

Ob es jedoch weitere Touren durch die Kluterthöhle geben wird, ist unklar. "Solche Projekte kosten Geld", gibt Pohl zu bedenken. Die Bewährungshilfen seien daher auf Spenden angewiesen, um weitere Touren realisieren zu können.