Krieg und Versöhnung prägten das Leben Franz von Hammersteins

Vom Mitwisser des Hitler-Attentats zum Mitbegründer der Aktion Sühnezeichen

Krieg und Versöhnung haben sein Leben geprägt. Als 23-Jähriger saß Franz von Hammerstein im Konzentrationslager Buchenwald, weil sein Bruder am Stauffenberg-Attentat auf Hitler beteiligt war. Aus dieser Erfahrung heraus gründete er vor 50 Jahren gemeinsam mit dem Magdeburger Präses Lothar Kreyssig die Aktion Sühnezeichen", deren Ehrenvorsitzender er heute ist.

 (DR)

Krieg und Versöhnung haben sein Leben geprägt. Als 23-Jähriger saß Franz von Hammerstein im Konzentrationslager Buchenwald, weil sein Bruder am Stauffenberg-Attentat auf Hitler beteiligt war. Aus dieser Erfahrung heraus gründete er vor 50 Jahren gemeinsam mit dem Magdeburger Präses Lothar Kreyssig die Aktion Sühnezeichen", deren Ehrenvorsitzender er heute ist.

Die Schuld der Deutschen am Zweiten Weltkrieg und am Massenmord trieb Hammerstein während seines Theologiestudiums in den 50er Jahren um.
Er suchte nach Wegen der Versöhnung. "Wir Deutschen haben den Zweiten Weltkrieg begonnen und schon damit mehr als andere unmessbares Leiden der Menschheit verschuldet", hatten Kreyssig und er im Gründungsaufruf der Aktion 1958 formuliert. Doch der Gedanke, den Juden und allen anderen Opfern ein Zeichen der Versöhnung anzubieten, stieß auf Widerstand.

Israel lehnte die Friedensdienste zunächst ab und im eigenen Land wurden die ersten freiwilligen Helfer als "Landesverräter" und "Nestbeschmutzer" beschimpft, erinnert sich der Freiherr. In der Zeit des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders war wenig Platz für ein solches Schuldbekenntnis und konkrete Konsequenzen. "Es war schwierig, denn die Bereitschaft zur Versöhnung musste erst wachsen", sagt Hammerstein. Auch die DDR-Regierung behinderte die Arbeit. Dort blieben den Freiwilligen Auslandseinsätze lange Zeit verwehrt.

Selbst in der Kirche gab es Proteste. Sie rieb sich an der Idee, dass Christen nun Synagogen bauen wollten, in denen gegen Jesus gepredigt werde. Doch die Aktion setzt sich durch. So bauen die Freiwilligen bei Lyon in Frankreich eine Synagoge und im von deutschen Bomben zerstörten Coventry ein englisch-deutsches Versöhnungszentrum. "Das war einer der ersten großen Höhepunkte der Arbeit und meines Lebens.
Die Engländer haben unser Angebot akzeptiert und mit einem Einsatz in Dresden beantwortet", erzählt der heute 86-Jährige. Ein besonderer Moment sei auch der erste Einsatz 1961 in Israel gewesen.

Bis heute engagiert sich Hammerstein für Versöhnung. Dabei hatte er schlimme Erfahrungen mit der erbarmungslosen Härte des NS-Regimes gemacht. Unschuldig saß er in Einzelhaft und im KZ Buchenwald.
Während sein Bruder Ludwig nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli
1944 entkam, wurde er in Sippenhaft genommen.

"Ich habe ihm nie Vorwürfe gemacht. Im Gegenteil, ich habe das immer bejaht." Seine ganze Familie war im Widerstand gewesen. "Keiner ist zu den Nazis gegangen!" Sein Vater, Generaloberst Kurt von Hammerstein-Equord, war Chef der Heeresleitung, gab das Amt aber schon 1933 auf, weil er gegen Hitlers geplanten Eroberungskrieg war.
Ein Attentatsversuch des Vaters scheiterte 1940.

Die beiden älteren Söhne Kunrat und Ludwig arbeiteten ebenfalls aktiv im Widerstand, der eine in der Leipziger Universität, der andere beim Militär. Franz von Hammerstein, 1921 in Kassel als jüngster der drei Brüder geboren, hat davon gewusst. Beteiligt war er aber nur beim Verstecken von Juden. "Ich war jünger und hatte nicht das Umfeld dazu", sagt er.

Nach seinem Theologiestudium arbeitete er als Industriepfarrer im Evangelischen Sozialpfarramt Berlin. Später machte Hammerstein sein ehrenamtliches Engagement für Frieden zum Beruf und arbeitete von
1968 bis 1975 als Generalsekretär der Aktion Sühnezeichen. Danach ging er zum Weltkirchenrat nach Genf und kehrte 1978 als Direktor der Evangelischen Akademie nach Berlin zurück.

Außerdem engagiert sich Hammerstein unter anderem in der Stiftung "Topographie des Terrors". Gern würde er sich mit Vorträgen und Diskussionsrunden genauso stark für Versöhnung einsetzen wie früher.
Doch mit 86 Jahren fehlt ihm inzwischen die Kraft. Ganz zurückziehen will sich von Hammerstein aber nicht. "Ich beobachte die Entwicklung sehr genau", sagt er. Außerdem sei die Versöhnung noch nicht geschafft. "Das ist ein sehr langer Prozess."