Koranschändung eines Provinzlers löst tödliche Automatismen aus

Fackellauf durchs globale Dorf

Mit Verspätung hat es Pastor Terry Jones dann doch noch geschafft. Jeder von muslimischen Fanatikern ermordete Christ ist ihm Beleg seiner These, dass der Koran ein verbrennenswürdiges "Buch des Hasses" sei. Seine Koranschändung im Nirgendwo der USA und die Wut darüber in den Weiten Afghanistans sind auch ein Beleg dafür, dass die Welt ein Dorf geworden ist.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Ein verdrehter Provinzler veröffentlicht eine verdrehte Tat im Internet, und reflexhaft reagieren Akteure überall auf dem Globus - nicht zuletzt als Werbeträger für den Verdrehten selbst. In der muslimischen Welt brennen vorbereitete US-Fahnen - denn die US-Evangelikalen bestätigen glänzend die islamistische Propaganda. Wegen eines fundamentalistischen Wirrkopfs müssen Christen sterben, weil sie Christen sind. Normalerweise ein klassisches "Martyrium" - doch ob die Mordopfer tatsächlich gläubige Christen sind, ist gar nicht die Frage.



Die Weltpresse tickert reflexhaft, beklagt und berichtet, was inzwischen schon vorhersehbar war. Bücherverbrennungen als weltweiter Werbe-Scoop: Soweit war es freilich bislang noch nicht gewesen. Kalkulierte politische Botschaften waren sie hingegen immer. Die Begründungen sind so alt wie die Geschichte der Bücher selbst: Sie seien anstößig, ketzerisch, unanständig, aufrührerisch, blasphemisch, gefährlich oder falsch. Die Anlässe sind - naturgemäß - zumeist weltanschaulicher, religiöser oder politischer Art.



Schon in der chinesischen Kaiserzeit wurden philosophische Ansichten physisch vernichtet, die der Idee der Staatseinheit zuwiderliefen - ein Schicksal, das unter dem römischen Kaiser Diokletian (284-305) auch den Schriften der Christen widerfuhr. Das änderte sich grundlegend, als das Christentum Ende des 4. Jahrhunderts zur Staatsreligion wurde.



In der christlichen Spätantike und durch das ganze Mittelalter hindurch ordneten immer wieder Kaiser, Bischöfe oder Konzilien die Vernichtung als häretisch angesehener Schriften an. Prominent ist etwa die Pariser Talmudverbrennung, bei der 1242 auf Anordnung der Kirche und mit Hilfe der französischen Krone jüdische Bücher aus ganz Westeuropa zusammengekarrt und auf einem riesigen Haufen verbrannt wurden. Ebenso der "Scheiterhaufen der Eitelkeiten" des Bußpredigers Girolamo Savonarola, der in Florenz 1497 Künstler wie Sandro Botticelli dazu brachte, ihre "Obszönitäten" dem Feuer zu übergeben.



"Weil du getilgt hast die Wahrheit Gottes, so tilge dich heute der Herr!"

Eine Hoch-Zeit brennenden Schrifttums in Europa waren Reformation und Religionskriege. Berühmt ist Luthers Ausspruch: "Weil du getilgt hast die Wahrheit Gottes, so tilge dich heute der Herr!" Und einen veritablen Büchersturm brachte der aufklärerische Übereifer des Maximilien Robespierre 1793 über das revolutionäre Paris.



Buchstäbliches Fanal der deutschen Geschichte ist das Wartburgfest von 1817, wo radikale Burschenschafter "reaktionäre" und "undeutsche" Schriften verbrannten. Heinrich Heine befand: "Auf der Wartburg krächzte die Vergangenheit ihren obskuren Rabengesang, und bei Fackellicht wurden Dummheiten gesagt und getan, die des blödsinnigsten Mittelalters würdig waren!" Die Bücherverbrennung der Nationalsozialisten "wider den undeutschen Geist" vom Mai 1933, die vielleicht bekannteste der Weltgeschichte, war da noch ein Jahrhundert entfernt.



Mit dem Eintritt der USA in die Weltgeschichte geht auch eine besondere amerikanische Kultur der Bücherverbrennung einher. Stichworte sind die umtriebige "Gesellschaft zur Bekämpfung des Lasters" von 1873, die "Kommunistenhatz" der McCarthy-Ära oder die Harry-Potter-Verbrennung in Pittsburgh 2001.



In Ostasien brannte im 20. Jahrhundert vor allem als antikommunistisch oder "intellektuell" ausgemachte Literatur, etwa in der chinesischen "Kulturrevolution" der 60er Jahre oder im Kambodscha der Roten Khmer. In der muslimischen Welt machte in den 80er Jahren die Jagd auf die "Satanischen Verse" von Salman Rushdie Furore.



Papier brennt bei 451 Grad Fahrenheit, 232 Grad Celsius. Pastor Terry Jones hat im hintersten Winkel Amerikas gezündelt - und die Zeitungsseiten fangen vorschriftsmäßig Feuer.