Kopftuchfreiheit nimmt erste Hürde im türkischen Parlament

Anfang vom Ende des laizistischen Staats?

Nach einer langen und heftigen Debatte hat das türkische Parlament in der Nacht zum Donnerstag in erster Lesung der Freigabe des islamischen Kopftuches für Studentinnen zugestimmt. Bei dem Votum in den frühen Morgenstunden billigten jeweils etwa 400 Abgeordnete nach 13-stündiger Diskussion die beiden vorgesehenen Verfassungsänderungen; die Zahl der Gegenstimmen lag bei etwa hundert.

 (DR)

Die islamisch geprägte Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und die nationalistische Oppositionspartei MHP, die sich beim Thema Kopftuch verbündet haben, verfügen gemeinsam über 410 von 550 Mandaten in der Volksvertretung. Bei der Schlussabstimmung an diesem Samstag wird ebenfalls mit einer großen Mehrheit im Parlament gerechnet. Nach Presseberichten könnten schon kommende Woche die ersten Kopftücher an türkischen Unis zu sehen sein. Die kemalistische Oppositionspartei CHP will die Kopftuch-Freiheit allerdings vor dem Verfassungsgericht anfechten.

Hitziger Streit mit Tätlichkeiten
Die Debatte war geprägt von schweren gegenseitigen Vorwürfen zwischen AKP und MHP auf der einen und der CHP auf der anderen Seite. Zwischenzeitlich kam es sogar zu Handgreiflichkeiten. Die CHP-Abgeordnete Nur Serter warf den Kopftuch-Befürwortern vor, Frauen in der Türkei zu Bürgern zweiter Klasse degradieren zu wollen.

Dagegen sagte Vize-Premier Cemil Cicek von der AKP, die CHP spiele sich als Richter darüber auf, was laizistisch sei und was nicht. In einigen türkischen Zeitungen wurde die Entscheidung am Donnerstag als Wendepunkt gewertet. Selbst bei einem Veto des Verfassungsgerichts sei nicht sicher, ob die Kopftuch-Freiheit wieder zurückgenommen werden könne, kommentierte ein Blatt.

EU: Sache der Türkei
Die EU-Kommission in Brüssel lehnte auf Anfrage eine Stellungnahme zu der türkischen Entscheidung ab. Es gebe in den einzelnen EU-Staaten eine sehr unterschiedliche Praxis zum Kopftuchverbot, sagte die Sprecherin von EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn, Krisztina Nagy.

Weil es keine gemeinsame Rechtsgrundlage gebe, sei es die Sache jedes einzelnen Staates darüber zu entscheiden. Auch in der Türkei seien die dortigen Entscheidungsträger gefragt. Wichtig sei nur, dass die Rechtslage demokratisch festgelegt werde.