Kontrolllücke bei Managergehältern

Interview mit Gert G. Wagner, EKD-Sozialexperte

Top-Manager in Deutschland bekommen nach Auffassung des EKD-Sozialexperten Gert G. Wagner bisweilen hohe Gehälter, die nicht zu rechtfertigen sind. Hier gebe es eine "Kontrolllücke" in den Aufsichtsräten, sagte der Vorsitzende der Kammer für soziale Ordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einem epd-Interview. Die Fragen an den Lehrstuhlinhaber für Volkswirtschaftslehre an der TU Berlin stellte Wolfgang Plischke.

 (DR)

epd: In diesem Jahr sind Manager und Unternehmensvorstände zum Teil heftig kritisiert worden, weil Arbeitsplätze abgebaut wurden, während zugleich die Gewinne sprudelten. War diese Kritik berechtigt?

Wagner: Auch wenn das Viele nicht gerne lesen und hören: Diese Kritik ist größtenteils unberechtigt. Wenn Unternehmen in Deutschland im Vergleich zu ähnlichen Unternehmen im Ausland weniger Gewinn machen, dann arbeiten wir hier in Deutschland unwirtschaftlich und feindliche Übernahmen drohen. Grundsätzlich ist es für jede Firma sinnvoll, die in der Wirtschaft üblichen Gewinne zu machen. Wenn jedoch Firmen ausgeplündert werden, um kurzfristig Cash zu machen, dann ist das falsch und höchst kritikwürdig. Um das zu verhindern, hilft übrigens nicht nur Ethik, sondern vor allem Aufsicht und Transparenz. Und wenn ein Großunternehmen schlagartig Personal abbaut, obwohl man das auch sozialverträglicher gestalten könnte, dann gehört sich das nicht.

epd: Inwieweit sind Manager nicht nur den Aktionären und dem Unternehmenswohl, sondern auch den Beschäftigten verpflichtet?

Wagner: Manager müssen sich zuerst einmal an den Interessen der Aktionäre an Gewinn orientieren, denn ansonsten ist Unwirtschaftlichkeit programmiert und das nützt am Ende niemandem. Zudem wird durch den Wettbewerb, den Finanzanleger und Aktionäre in Großkonzerne und Großbanken gebracht haben, der Missbrauch wirtschaftlicher Macht abgebaut. Das nützt am Ende auch wieder den Arbeitnehmern. Allerdings sind Manager gut beraten, wenn sie die wirtschaftlichen und familiären Interessen der Beschäftigten und ihrer Familien ausdrücklich berücksichtigen. Denn nur Arbeitnehmer, die sich fair behandelt fühlen, sind auch so produktiv, wie das in einem Hochlohnland wie Deutschland nötig ist. Deswegen orientieren sich kluge Manager an den Interessen aller "Stakeholder" in und um ein Unternehmen herum.

epd: Sind Managergehälter in Deutschland bisweilen unangemessen hoch?

Wagner: Ja. Meines Erachtens gibt es ohne jeden Zweifel punktuell nicht rechtfertigbar hohe Gehälter. Vieles spricht dafür, dass es eine "Kontrolllücke" gibt, die darin besteht, dass Manager sich in Aufsichtsräten gegenseitig kontrollieren und hohe Bezüge genehmigen.
Und selbst unabhängige Aufsichtsräte haben Probleme durchzublicken, wie Aktienoptionen und andere variable Bestandteile der Bezahlung von Top-Managern wirklich wirken. Fakt ist: Die hoch bezahlten Top-Manager würden auch für viel weniger Geld ihren Job mit Freude machen. Dass sie ins Ausland abgeworben würden, wie sie gerne behaupten, ist unwahrscheinlich, da gerade in den amerikanischen Konzernen kaum Ausländer an die Spitze kommen. Und ins Niedriglohnland China würden ja wohl die wenigsten gehen.

epd: Welche Rolle spielen Moral und Ethik in Zeiten der Globalisierung und wirtschaftlicher Zwänge?

Wagner: Moral und Ethik haben für die wirtschaftliche Entwicklung seit jeher ein überragende Rolle gespielt. Man denke an die Grundsätze eines "ehrbaren Kaufmanns", der sich letztlich am biblischen Gebot "Du sollst nicht lügen" orientiert hat. Und dieses Gebot gilt umso mehr für globale Transaktionen, die nur zu Stande kommen wenn ein Minimum an Verlässlichkeit und Vertrauen zwischen den Geschäftspartnern herrscht. Auch Moral und Ethik gegenüber den eigenen Beschäftigten sind im harten globalen Wettbewerb durchhaltbar. Das kontinentaleuropäische Sozialmodell, gerade auch der "Rheinische Kapitalismus", ermöglicht auf Basis eines fairen und transparenten Miteinanders von Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine ungeahnte Produktivität. Deutschland ist ja hoch wettbewerbsfähig und nicht zufällig Exportweltmeister.