Konflikt dauert an - Tibetische Menschenrechtlerin im domradio-Interview

Taten statt "erschrecktes Hinsehen"

Das Europaparlament hat sich kritisch über das Vorgehen Chinas in Tibet geäußert und gleichzeitig den Dalai Lama eingeladen. Parlamentspräsident Pöttering appellierte an China, den Konflikt im Dialog mit dem geistigen Oberhaupt der Tibeter zu lösen. Unterdessen reißen die blutigen Zusammenstöße zwischen chinesischen Sicherheitskräften und tibetischen Mönchen nicht ab. domradio sprach mit einer tibetischen Menschenrechtlerin, die sich in dem "Verein Tibeter" in Deutschland engagiert.

 (DR)

Der Kontakt der Menschenrechtlerin zu ihrer Familie in Lhasa ist nur gering, aus Angst vor abgehörten Leitungen. Um ihre Familie nicht zu gefährden, möchte unsere Gesprächspartnerin anonym bleiben.

"Die Lage in der Stadt ist angespannt, alle Lebensmittel sind wahnsinnig teuer geworden, sodass die Familie jetzt auch ganz einfach finanzielle Nöte hat", berichtet sie. "Ich war zu Beginn noch optimistisch, dass die Olympischen Spiele vielleicht etwas ändern und mehr Aufmerksamkeit im Bezug auf Menschenrechte nach China bringen", so die Menschenrechtlerin weiter. Seit den Vorgängen in Tibet habe sie allerdings das Gefühl, die chinesische Regierung habe nichts weiter gelernt, als das sie westliche Journalisten erst ausweisen müsse, ehe sie die Leute im eigenen Land umbringen könne.

"Ein Morden, bei dem die Welt zuschaut"
Sollte man sich nicht im Dialog mit dem Dalai Lama um eine Lösung bemühen, müssten Europas Politiker darüber nachdenken, der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele fernzubleiben, hieß es am Mittwoch im Europa-Parlament. Vor allem Konservative und Grüne plädierten für einen Boykott der Eröffnungsfeier, während Sozialdemokraten in der Mehrheit davor warnten.

"Ich befürworte einen Boykott", betont unsere Gesprächspartnerin immer wieder. Denn die Vergabe der Olympischen Spiele an ein Land wie China sei immer auch ein politisches Statement. Und sollte die Olympiade trotzdem stattfinden, müsse man sie nutzen, um sich für ein freies Tibet und die Menschenrechte auszusprechen. "Die Sportler könnten beispielsweise T-Shirts tragen, die die Menschenrechte fordern", so ihr Aufruf.

"Aber das, was im Moment dort passiert ist einfach ein Morden, bei dem die Welt zuschaut und nichts tut. Das wird sich auch nicht ändern wenn die Olympiade dorthin geht." Vor allem in der vergangenen Woche habe sie das Gefühl gehabt, dass einfach keine Taten auf das "erschreckte Hinsehen" folgten.

Jemand, der für alle spricht
Der Dalai Lama hatte vergangene Woche angekündigt, er werde sein Amt niederlegen, sollten die blutigen Unruhen nicht beendet werden. "Das wäre für uns eine Katastrophe. Und für die chinesische Regierung selbst eine vertane Chance", ist die tibetischen Menschenrechtlerin überzeugt.
"Mein Wunsch wäre es, dass China es ermöglicht, die Kultur der Tibeter zu bewahren. Das kann man auch tun, ohne das Gesicht dabei zu verlieren", erklärt sie. Mit dem Dalai Lama habe man die Gelegenheit, eine einzige Person an den Verhandlungstisch zu holen, die für alle Tibeter sowohl im Exil als auch innerhalb des Landes sprechen könne. "Damit sie auch verstehen, was das tibetische Volk eigentlich braucht, um dieses Gefühl im eigenen Land haben zu können."

Hinweis: Der Verein "Tibeter in Deutschland" ruft am Donnerstagabend ab 18 Uhr zu einer Mahnwache für Tibet auf dem Kölner Wallraffplatz auf.