Kölns Zoochef über Tiernamen mit religiösen Anklängen

Betende Insekten und teuflische Biester

Fromm verhält sie sich nicht gerade: Denn die Gottesanbeterin verspeist mitunter die Männchen direkt nach der Paarung. Wie das Insekt trotzdem zu seinem Namen kam, erklärt Kölns Zoo-Direktor, Theo Pagel, im Interview.

Eine Gottesanbeterin: "Ein Insekt, das wegen seiner Haltung der Vorderextremitäten so aussieht, als ob es betet" / © Steffen Schellhorn (epd)
Eine Gottesanbeterin: "Ein Insekt, das wegen seiner Haltung der Vorderextremitäten so aussieht, als ob es betet" / © Steffen Schellhorn ( epd )

KNA: Herr Pagel, wie kommen Tiere zu ihren Namen?

Theo Pagel (Direktor des Kölner Zoos): Wer ein Tier neu entdeckt, der darf ihm den Namen geben. Er muss sich schon ein bisschen an Regeln halten. Wenn das Tier einer bestimmten Gattung angehört, es aber eine neue Art ist, dann kann er sich den Artnamen überlegen, der Gattungsname muss gleich bleiben. Oder er hat noch größeres Glück und entdeckt eine neue Gattung oder eine neue Familie; da darf er dann neue Namen kreieren. Das sind dann immer die wissenschaftlichen Namen. Und außerdem gibt es natürlich in den verschiedenen Sprachen Populärnamen wie Nachtfalter oder Pudel.

KNA: Wo kommen die Populärname her? Sind zum Beispiel Tiere, deren Populärnamen einen geistlichen oder klerikalen Bezug haben, besonders zahm?

Pagel: Nun ja, schauen wir uns mal die Gottesanbeterin an. Sie ist ein Insekt, das wegen seiner Haltung der Vorderextremitäten so aussieht, als ob es betet. Aber der Beute zum Leid ist es genau das Gegenteil. Sie hält ihre Vorderbeine so, damit sie blitzschnell zuschlagen kann, um ihre Beute mit den Vorderhänden zu ergreifen. Für uns als Menschen wirkt sie aber durch ihre Haltung so, als ob sie ganz friedlich dasitzt und Gott anbetet. Daher der Name.

KNA: Stattdessen verspeist sie aber ganz gerne ihre Männchen nach der Paarung.

Pagel: Das kommt mitunter vor, ja.

KNA: Also richten sich die Populärnamen meistens nach dem Aussehen?

Pagel: Zumindest ist es bei einigen Tieren der Fall. Nehmen wir den Kardinal. Das ist ein nordamerikanischer Singvogel. Die Männchen sind wirklich kardinalrot gefärbt. Kardinalrot heißt die Farbe ja schon in Anlehnung an das Gewand des Kardinals. Es sind wirklich sehr auffällige Vögel.

KNA: Und wer flattert hierzulande durch den Himmel?

Pagel: Zum Beispiel der Dompfaff, den kennt der ein oder andere sicherlich. Das ist ein einheimischer Singvogel, der ein rötliches Gefieder und eine schwarze Kappe hat. Dieses rote Gefieder mit der schwarzen Kopfbedeckung erinnert an die Domherren, die Domgeistlichen.

KNA: Das sind jetzt alles eher kleinere Tiere. Hat die Tierwelt auch größere Bewohner mit geistlichen Namen?

Pagel: Ein Beispiel ist die Mönchsrobbe. Da gibt es Vermutungen, dass sie ihren Namen von der dicken Fettschicht am Hals, dem sogenannten Blubber, hat. Der sieht so ein bisschen aus wie eine Mönchskutte mit Kapuze, wenn die Robbe den Kopf nach oben streckt. Ein anderes großes Tier ist der Pater-David-Hirsch. Ihn hat Armand David entdeckt. Das war ein Pater, der 1865 nach China gereist war, nach Peking. Er kletterte unerlaubterweise in der Verbotenen Stadt über eine Mauer und sah einen Hirsch, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Und diesen Hirsch hat man dann im Nachhinein Pater-David-Hirsch genannt. Das ist ein sehr hochbedrohtes Tier, das nur noch existiert, weil die letzten Exemplare in Menschenhand sind. Ein Zoo in England hat sich dieser Tierart angenommen.

KNA: Kommen wir zu einem kleinen Tierchen, das wir ja alle kennen: die arme Kirchenmaus...

Pagel: ...verdankt ihrer Umgebung den Namen. Wenn Sie als Maus zum Beispiel in einer Bäckerei wohnen, sind Sie wirklich fein raus. Die Kirchenmaus hingegen hat nun wirklich nichts zu lachen, was das Nahrungsangebot in der Kirche angeht. Das ist ein eher suboptimaler Lebensraum.

KNA: Gibt es bei all diesen frommen Namen auch einen Ausreißer?

Pagel: Quasi das Böse gegenüber den klerikalen Anleihen? Aber ja! Ein Beuteltier, ein kleines Raubtier, das auf Tasmanien lebt. Wenn man wie ich eine Vorstellung vom Teufel hat - ich bin ja katholisch aufgewachsen - und sich dann diesen etwa katzengroßen Beutelmarder anschaut: So ungefähr habe ich mir als kleines Kind den Teufel vorgestellt. Der faucht, ist sehr laut und kämpft ständig. Wird er aggressiv, bekommt er rote Ohren. Diesem Biest hat man den Namen Beutelteufel gegeben: Weil er ein Beuteltier ist und an den Teufel erinnert.

Das Interview führte Sabine Just.


Ein Gimpelpaar (Dompfaff) sitzt auf einer Futterstation für Wildvögel / © Markus Scholz (dpa)
Ein Gimpelpaar (Dompfaff) sitzt auf einer Futterstation für Wildvögel / © Markus Scholz ( dpa )

Ein kleiner Weißschulter-Kapuzineraffe / © Attila Balazs (dpa)
Ein kleiner Weißschulter-Kapuzineraffe / © Attila Balazs ( dpa )

Ein Mönchsgeier / © Wolfgang Radtke (dpa)
Ein Mönchsgeier / © Wolfgang Radtke ( dpa )

Teufelsrochen / © Hitoshi Maeshiro (dpa)
Teufelsrochen / © Hitoshi Maeshiro ( dpa )

Ein Papstfink / © Wolfgang Radtke (KNA)
Ein Papstfink / © Wolfgang Radtke ( KNA )