Kölner Sozialträger sind in ihrer Existenz bedroht

"Uns fehlt eine Lobby"

Soziale Einrichtungen und Dienste werden an zwei Tagen in Köln schließen – so soll gegen stark gestiegene Kosten protestiert werden. Bernd Rustemeyer von der katholischen Jugendagentur erklärt die teils existenzbedrohenden Probleme.

Mütter und Kinder könnten in Köln diese Woche vor der geschlossenen Kitatür stehen. Der Grund: Ein Protest. / © Annette Riedl (dpa)
Mütter und Kinder könnten in Köln diese Woche vor der geschlossenen Kitatür stehen. Der Grund: Ein Protest. / © Annette Riedl ( dpa )

DOMRADIO.DE: "Köln bleib(t) sozial" ist der Leitsatz der Protestaktion, bei der auch die die Katholische Jugendagentur Köln mitmacht. Auch die KJA ist von den erhöhten Kosten betroffen. Was heißt das konkret? Welche Bereiche betrifft das bei Ihnen?

Bernd Rustemeyer, Referatsleiter Pastoral und Pädagogik bei der Katholischen Jugendagentur Köln  / © Katholischen Jugendagentur Köln
Bernd Rustemeyer, Referatsleiter Pastoral und Pädagogik bei der Katholischen Jugendagentur Köln / © Katholischen Jugendagentur Köln

Bernd Rustemeyer (Referatsleiter Pädagogik der katholischen Jugendagentur): Nahezu alle Bereiche, die öffentlich gefördert sind. Wir haben stark zu kämpfen mit den hohen tarifbedingten Personalkosten-Steigerungen und mit den inflations- und krisenbedingten Steigerungen von Sachkosten.

DOMRADIO.DE: Sie fordern, dass die Kosten von öffentlicher Hand aufgefangen werden. Ansonsten kann es auch bei der KJA zu Schließungen von sozialen Einrichtungen kommen. "Köln bleib(t) sozial", lautet deswegen das Motto. Welche Konsequenzen hätte die dauerhafte Schließung, beispielsweise von offenen Ganztagsbetreuung?

Rustemeyer: Das wäre ein großer Einschnitt im sozialen Köln. Das soziale Netz in Köln hat in den letzten Jahren gezeigt, dass es funktioniert. Wir waren vor allem in der Coronazeit da und haben die jungen Menschen betreut als die Schulen geschlossen waren. Ich glaube mittlerweile, diese Betreuungslandschaft, von Kita über die Betreuunglandschaft von Kita über Offene Ganztagsschulplätze ist unverzichtbar für Köln, für die Eltern, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer. Wenn es zu reduzierten Öffnungszeiten käme oder zu Schließungen von Angeboten, wäre das ein schlimmer Einschnitt. Wir haben Träger der Wohlfahrtspflege, denen die Insolvenz droht.

DOMRADIO.DE: Der soziale Zweig bekommt häufig zu wenig Aufmerksamkeit und zu wenig Geld, dabei ist er unverzichtbar für die Gesellschaft. Wie erklären Sie sich diese Zurückhaltung vonseiten der Politik?

Rustemeyer: Das ist wirklich schwierig zu erklären. Uns fehlt eine Lobby wie beispielsweise in der Wirtschaft. Es fällt auf, dass gerade in Krisenzeiten andere wichtige Themen wie Rüstung, Arbeitsmarkt, Klimawandel in den Mittelpunkt gerückt werden. Dann fallen Bildung und soziale Themen oftmals hinten runter.

DOMRADIO.DE: Die Kostensteigerungen für die städtischen Einrichtungen werden kompensiert. Welches Zeichen setzt das Ihrer Meinung nach?

Rustemeyer: Man könnte fast schon von einer Zweiklassengesellschaft sprechen. Die Stadt ist als kommunaler Arbeitgeber tariflich gebunden. Wir sind das aber auch. Wir haben einen eigenen Tarif, der dem Tarifrecht im öffentlichen Dienst angeglichen ist. Das heißt, dass wir dieselben Kostensteigerungen haben und wollen das Lohnplus unseren Mitarbeitenden weitergeben.

DOMRADIO.DE: Es gab schon ein Warnzeichen am 8. November - eine Mahnwache vor dem Kölner Rathaus. Bisher gibt es aber von der Politik und der Stadtverwaltung trotzdem keine konkreten Pläne. Was erhoffen Sie sich jetzt von dieser Protestaktion?

Rustemeyer: Zunächst einmal wollen wir zeigen, wie brisant die Situation ist. Dazu wollen wir noch mal demonstrieren wie viele wir sind. Wir erhoffen uns eine große Teilnahme und Gesprächsangebote seitens der Stadtverwaltung und der Stadtpolitik.

DOMRADIO.DE: Können Sie jetzt auch streiken wie die Lokführergewerkschaft?

Rustemeyer: Das ist kein Tarifstreik. Wir streiken ja nicht für eine tarifliche Anpassung. Wir wollen auf diesen Notstand aufmerksam machen. Das ist ein schmaler Grat, das ist uns klar. Auch gerade in unseren Betreuungseinrichtungen, wo Eltern sich jetzt wahrscheinlich fragen: Wie soll ich das machen? Deswegen sprechen wir auch bewusst die Eltern an und hoffen auf Solidarität. Viele Eltern haben auch schon signalisiert, dass sie mit uns auf die Straße gehen wollen.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Quelle:
DR