Kölner Imam ruft zum Zuckerfest zu Dialog und Verständigung

"Freundschaften und Kontakte pflegen"

Der Fastenmonat Ramadan ist eine der fünf Säulen des Islam. 30 Tage durften Muslime tagsüber unter anderem nicht essen und trinken. Seit Dienstagabend ist der Ramadan vorbei und das Zuckerfest hat begonnen. Wie wird das Fest gefeiert?

Tee und besondere Süßigkeiten zum Zuckerfest. (Symbolbild, Achiv) / © Eman Helal (dpa)
Tee und besondere Süßigkeiten zum Zuckerfest. (Symbolbild, Achiv) / © Eman Helal ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie streng sind die Fastenregeln im Islam? Gibt es Unterschiede oder machen alle das Gleiche?

Imam Mahmood Ahmad Malhi / © Annika Weiler (DR)
Imam Mahmood Ahmad Malhi / © Annika Weiler ( DR )

Mahmood Ahmed Malhi (Theologe und zuständiger Imam der Bait-un-Nasr Moschee Köln): Im Heiligen Koran ist schon einiges über den Monat Ramadan gesagt worden. Außerdem zeigt die Praxis des Propheten des Islams - Mohammed, Frieden und Segen Allahs seien auf ihm - wie man den Monat Ramadan durchlaufen sollte. Das Fasten ist für alle gleich und jeder muss auf dieselbe Art und Weise fasten.

Klar unterscheidet sich die Praxis der Einzelnen. Eine Überlieferung des Propheten verspricht jedem, der die Gebete verrichtet und den Monat Ramadan so durchläuft, dass er sich selbst versucht zu reformieren, ein besserer Mensch zu werden, nicht zu lügen, Leute nicht zu beschimpfen oder irgendwie anders Schaden zuzufügen, dass all seine Sünden verziehen werden.

Mahmood Ahmed Malhi

"Es kommt individuell auf jeden Einzelnen an, wie er den Monat Ramadan verbringt, (...) aber die Vorgaben sind dieselben für jeden."

Außerdem heißt es, dass das Fasten nichts bringt, wenn man zwar die Rechte Gottes erfüllt, aber die Rechte der Mitmenschen nicht erfüllt. Das heißt also jemanden beschimpft, irgendwie beleidigt oder Schaden zufügt. Es kommt individuell auf jeden Einzelnen an, wie er den Monat Ramadan verbringt, ob er sich selbst reformiert oder nicht. Das ist der Unterschied. Aber die Vorgaben sind dieselben für jeden.

DOMRADIO.DE: Am Dienstagabend hat das Zuckerfest begonnen. Wie wird das in Ihrer Moschee-Gemeinde begangen?

Malhi: Aus dem Leben des heiligen Propheten des Islams - Mohammed, Friede und Segen Allahs seien auf ihm - entnimmt man, das er am ersten Tag des Zuckerfestes vor dem morgendlichen Pflichtgebet etwas Süßes gegessen hat. Dann ist er zum Gebet gegangen und genauso machen wir es auch.

Jeder Ahmadi - das ist die Bezeichnung für die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde – hat vor dem Morgengebet etwas zu sich genommen. Wir sind um 10 Uhr zum Gebet zusammengekommen. Ich habe eine Predigt gehalten, in der es darum ging, dass wir die Achtung der Rechte Gottes und die Rechte der Mitmenschen - was wir jetzt 30 Tage lang geschafft haben - das ganze Jahr über weiterhin achten. Besonders achtgeben auf die Menschen, die bedürftig sind, die etwas brauchen.

Und im Anschluss trifft man sich, umarmt sich, grüßt sich und feiert in den Familien, mit Freunden und Bekannten. Man ist zusammen und verbringt den Tag zusammen mit und in Gebeten.

Mahmood Ahmed Malhi

"Ich hatte die Idee, Kirchen- und Synagogengemeinden anzuschreiben und wir sind dann mit den Jungs zu denen hin geradelt. So sind wir in Dialog und Kontakt gekommen."

DOMRADIO.DE: Sie haben während des Ramadans auch Anhänger anderer Religionen einbezogen, auch Christen. Wie haben Sie das gemacht? 

Malhi: Ich habe vor ungefähr einem halben Jahr einen Friedensfahrradklub in Köln gegründet. Auf den blauen Trikots steht vorne "Muslime für Frieden“ und hinten "Liebe für alle, Hass für keinen". Viele in Köln kennen uns und die Trikots schon. Ich hatte die Idee, Kirchen- und Synagogengemeinden anzuschreiben und wir sind dann mit den Jungs zu denen hin geradelt. So sind wir in Dialog und Kontakt gekommen.

Im Monat Ramadan haben wir das auch gemacht und haben versucht, Veranstaltungen zu organisieren und zu besuchen, wo es um interreligiösen Dialog ging. Dort sind wir mit den Leuten ins Gespräch und in ein sehr gutes Miteinander gekommen. Für unsere Mitmenschen haben wir ein gemeinsames Fastenbrechen in unserer Moschee organisiert mit Pfarrern, Priestern und mit Abraham Lehrer, dem Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden. So wollen wir die Freundschaften und Kontakte, die entstanden sind, pflegen und verewigen.

Mahmood Ahmed Malhi

"Als die Verrückten einen Anschlag auf den Kölner Dom geplant haben, hat sich eine Gruppe junger Muslime solidarisch vor den Kölner Dom gestellt. Das war auch die Radgruppe der Ahmadiyya-Gemeinde."

DOMRADIO.DE: Was müssten wir tun, um den interreligiösen Dialog, der im Kleinen funktioniert, auf die große Ebene zu bringen?

Malhi: Ich habe in einem schönen Buch gelesen, dass der Mensch an sich ein sehr friedliches Wesen ist. Die Umstände machten ihn zu dem, was er wird. Zu diesen Umständen gehören sehr viele Dinge, besonders aber Freundschaften, Bekannte und die Familie.

Als Imam habe ich die Erfahrung gemacht, dass Dialog wichtig ist, egal wo man auf der Welt ist, ob in Deutschland, Israel, Palästina, Amerika oder England. Egal wo man unterwegs ist, wenn man mit den Leuten in Dialog kommt, kann man Vorurteile abbauen. Diese Erfahrung habe ich in Köln und auch in anderen Städten immer wieder gemacht. Immer wenn mir Menschen mit Vorbehalten - sei es gegen den Islam oder gegen Leute mit Migrationshintergrund - begegnet sind, sah die Welt nach fünf bis zehn Minuten Gespräch ganz anders aus. Danach werden immer Kontakte ausgetauscht oder sogar ein zweites Treffen verabredet. 

Radeln für den Frieden (privat)
Radeln für den Frieden / ( privat )

Als die Verrückten einen Anschlag auf den Kölner Dom geplant haben, hat sich eine Gruppe junger Muslime solidarisch vor den Kölner Dom gestellt. Das war auch die Radgruppe der Ahmadiyya-Gemeinde. Als wir vor dem Kölner Dom standen, sind wir mit vielen Leuten ins Gespräch gekommen. Einige sind zu Anfang mit Kritik an uns herangegangen, nicht wegen der Aktion Kölner Dom, aber über die hiesige Lage der Welt.

Auch da sah die Welt nach dem Dialog ganz anders aus. Zum Beispiel hat mich ein jüdisches Ehepaar vor dem Kölner Dom umarmt und sie sind zu jedem Einzelnen der Gruppe hingegangen und haben die Hand gereicht, sich bedankt und gesagt, dass sie jeden Tag zu Gott für Frieden zwischen Israel und Palästina beten. Dialog fördert den Abbau von Vorurteilen.

Das Interview führte Jan Hendrik Stens.

Das Zuckerfest

Der islamische Fastenmonat Ramadan endet mit dem dreitägigen Fest des Fastenbrechens, das 2023 vom 21. bis 23. April gefeiert wird. In der Türkei heißt das Fest auch Zuckerfest, weil die Kinder Süßigkeiten geschenkt bekommen. Streng genommen fällt das Fest des Fastenbrechens, arabisch Eid al-Fitr, auf die ersten drei Tage des neuen Monats. Mit Sichtung der neuen Mondsichel im zehnten Monat des islamischen Kalenders (Schawwal) beginnt das Fest, je nach Region kann sich das zeitlich unterscheiden.

Traditionelle arabische Süßigkeiten für das Fest des Fastenbrechens / © Veliavik (shutterstock)
Traditionelle arabische Süßigkeiten für das Fest des Fastenbrechens / © Veliavik ( shutterstock )
Quelle:
DR