Kölner Dompropst bedauert Ausstieg bei "Historischer Mitte"

"Das ist sehr schmerzlich"

Die neue "Historische Mitte" war das Prestige-Gemeinschaftsprojekt der Stadt Köln mit der Hohen Domkirche. Doch nun hat die Kirche mitgeteilt, dass sie aus dem Bauprojekt aussteigt. Dompropst Guido Assmann nennt die Gründe.

Perspektive aus der Altstadt... So könnte die Historische Mitte vielleicht bald aussehen.  (Architekturbüro Staab)
Perspektive aus der Altstadt... So könnte die Historische Mitte vielleicht bald aussehen. / ( Architekturbüro Staab )

DOMRADIO.DE: Abgemacht war, dass die Stadt 80 Prozent, die Domkirche 20 Prozent der Kosten trägt. Wie sehr sind die geschätzten Gesamtkosten denn gestiegen, sodass Sie sagen, dass es zu teuer für Sie wird? 

Monsignore Guido Assmann (Dompropst des Kölner Doms): Dieses wunderbare Projekt war und ist uns allen ein wichtiges Anliegen. An so einem historischen Ort etwas bauen zu dürfen und zu können, war und ist auch unsere Erwartung und Hoffnung. 

Wir möchten, dass auch in den nächsten Generationen Menschen, die den Dom oder Köln besuchen, sagen, dass es hier richtig schön ist. Hier haben die Menschen nicht nur einen schönen Kölner Dom hingesetzt, sondern auch eine schöne Umgebung. 

Dompropst Guido Assmann

"Die Kosten sind in den letzten zwei, drei Jahren so angestiegen, dass wir uns dieses wunderbare Projekt nicht mehr leisten können."

Es ist sehr schmerzlich, dass wir das jetzt nicht mehr in der Form durchführen können, wie es bisher geplant war. Aber die Kosten sind in den letzten zwei, drei Jahren so angestiegen, dass wir uns dieses wunderbare Projekt in der Form wie es bisher geplant war und wie wir es gerne gebaut hätten, im Moment nicht mehr leisten können.

DOMRADIO.DE: Wie geht es Ihnen mit der Entscheidung? 

Assmann: Es ist ein Herzensanliegen. Es tut sehr weh, dass wir dieses Haus an dieser Stelle so nah am Dom, wo die Geschichte der Stadt Köln spürbar und sichtbar ist, nach zehn Jahren guter Planung und guten Gesprächen mit der Stadt, in der Form jetzt nicht bauen können. Neben der Tatsache, dass wir ein Gebäude brauchen, um die historischen Archive unseres Domes, die Werkstatt und alten Schriften aufzubewahren. 

Wir sind 2018 von Kosten in Höhe von 135 Millionen Euro ausgegangen, 2021 waren wir schon bei 183 Millionen und jetzt in der Planungsphase, wo die Entscheidung zu fällen war, sind wir bei 207 Millionen. Es ist wirklich schade, dass die Baupreise in so kurzer Zeit so gestiegen sind. 

DOMRADIO.DE: Hätte man denn keine anderen Finanzierungsmöglichkeiten prüfen können? Über Sponsoren oder Stiftungen etwa? 

Assmann: Das haben wir als Dom, aber auch in den Gesprächen mit der Stadt, natürlich gemacht. Aber auch bei den Kreditmöglichkeiten sind die Preise so angestiegen, dass wir für die eigene Nutzung oder Vermietungen pro Quadratmeter Preise nehmen müssten, die verständlicherweise niemand mehr bezahlt und die wir selber auch nicht aufbringen können. 

Dompropst Guido Assmann

"Wir müssen mit dem Geld, das uns anvertraut ist, verantwortungsvoll umgehen."

Wir müssen mit dem Geld, das uns anvertraut ist, verantwortungsvoll umgehen. Wenn wir über Jahrzehnte zu viel Geld in ein Verwaltungs-, und Archivgebäude hineingeben müssen, könnten wir dieses Geld, das uns für den Dom anvertraut ist, an anderer Stelle nicht ausgeben. 

Da ist es wichtiger, dass wir den Dom und die Arbeitsplätze am Dom als ein großes Projekt erhalten, das sich nicht refinanzieren lässt. Es ist aber auch ganz klar, dass dort etwas gemacht werden. Das an den roten Ziegelsteinen gut erkennbare Kuriengebäude am Roncalli-Platz, das dort seit Jahrzehnten steht, ist einfach marode. Es gibt Wasserrohrbrüche und es ist in die Jahre gekommen. 

Es ist nicht nur eine Verwaltung mit ein paar Büros drin, mit der man gut umgehen könnte, sondern es gibt darin ganz kostbare Dinge, die zum Dom gehören. Die müssen vernünftig und gut aufbewahrt werden, damit auch dort gut geforscht werden kann. 

DOMRADIO.DE: Was sagen Sie denn den Kritikern, die jetzt vielleicht sagen, die Kirche habe doch genug Geld? 

Assmann: Das ist die äußere Sichtweise, die ich gut nachvollziehen kann. Hier geht es aber um die Hohe Domkirche. Der Kölner Dom gehört ja sich selbst und niemand anderem. Es ist eine eigene Körperschaft öffentlichen Rechts. Das Domkapitel hat die ehrenvolle Aufgabe, sich um dieses wunderbare Gebäude und die dort betenden und arbeitenden Menschen zu kümmern. 

Dompropst Guido Assmann

"Die Rücklagen sind durch Gehälter sowie durch Bauverpflichtungen, die wir zahlen mussten, weggeschmolzen."

Der Kölner Dom als solcher lebt davon, dass es Zuschüsse gibt und dass wir Geld selbst erwirtschaften. Aber in der Corona-Zeit, als keine Touristen kommen durften, gingen keine Spenden am Dom ein. Der Zentral-Dombau-Verein kümmert sich hervorragend um Spenden. Sie sind aber begrenzt und kann man nicht ausdehnen. 

Die Rücklagen, die wir auch für dieses Gebäude hatten, sind durch Gehälter sowie durch Bauverpflichtungen, die wir zahlen mussten, weggeschmolzen. Als wir in der Corona-Zeit so gut wie keine Einnahmen hatten, haben wir gesagt, dass die Menschen, die hier arbeiten, ihren Arbeitsplatz behalten sollen, sodass auch die Rücklagen weggeschmolzen sind. Dann kam der Ukrainekrieg mit all den Folgen. 

Kredite waren vor einigen Jahren gut möglich. Wir haben über die ganzen Jahre gut gerechnet. Hätten wir vor drei, vier Jahren bauen können, wären die Planungen entsprechend weit gewesen, dann hätten wir sicherlich auch gebaut. 

DOMRADIO.DE: Kirche und Stadt haben gemeinsam eine Gesellschaft, eine GbR, gegründet. Wie geht es mit der weiter? 

Assmann: Es ist nicht die Kirche, sondern die Hohe Domkirche und die Stadt Köln, die diese Gesellschaft haben. Wir sind da wie die ganze Zeit über in einem guten Gespräch mit der Stadt und haben jetzt den Vorschlag gemacht, ob wir die GbR noch einige Monate länger bestehen lassen. 

Dompropst Guido Assmann

"Wir wollen die nächsten Monate nutzen, um in gemeinsamen Gesprächen nach Alternativen zu suchen."

Wir wollen überlegen, ob es vielleicht eine andere Idee für das Gebäude in der Form gibt, wie wir es bisher geplant haben, auch wenn es wunderbar an diesen Ort gepasst hätte und wir wunderbare Synergieeffekte gehabt hätten? Da haben wir auch eine Verpflichtung den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt und den Menschen, die nach Köln kommen, gegenüber. 

Die Gesellschaft wollen wir noch etwas länger bestehen lassen und die nächsten Monate nutzen, um in den gemeinsamen Gesprächen nach Alternativen zu suchen. Vielleicht gibt es eine Alternative, an die bisher niemand oder erst an zweiter, dritter Stelle gedacht hat? 

Wir waren und sind von dem bisherigen Projekt überzeugt, auch wenn wir jetzt leider feststellen müssen, dass diese Kostensteigerung von 135 auf 207 Millionen Euro in vier Jahren unverantwortlich ist. Jeder würde uns einen Vogel zeigen, wenn wir jetzt "Augen zu und durch" sagen würden.

DOMRADIO.DE: Wie groß ist Ihre Zuversicht, dass sich zeitnah eine Lösung findet? 

Assmann: Immerhin haben wir diese Hoffnung, sonst hätten wir nicht gesagt, dass wir die nächsten Monate nutzen. Sonst müsste man sagen, dass wir jetzt das Sonderkündigungsrecht nutzen, das im Vertrag auch so vereinbart war. 

Wenn wir uns alle wie bisher vertrauensvoll zusammensetzen, dann gibt es bestimmt auch Ideen. Vielleicht können wir uns in einem halben Jahr wieder hier treffen. Dann schauen wir mal, was in diesem vergangenen halben Jahr geschehen ist. 

Das Interview führte Heike Sicconi. 

Dompropst und Domkapitel

Das Kölner Domkapitel hat zwei Wurzeln: Den an der Domkirche tätigen Klerus, der bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts ein gemeinsames Leben nach einer Chorherrenregel führte. Daneben gab es in Köln das »Prioren-Kollegium«, das aus den Äbten und Prälaten in Köln ansässiger Klöster und Stifter bestand und Einfluss auf die Verwaltung des Erzbistums und die staatlichen Geschäfte des Erzbischofs nahm.

Dompropst Guido Assmann beim Eucharistischen Hochgebet / © Beatrice Tomasetti (DR)
Dompropst Guido Assmann beim Eucharistischen Hochgebet / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR