Kölner Altenheimbewohner wetteifern um Wii Sports Bowling Seniorenmeisterschaft

Pflegebedürftige an der Konsole

Der virtuelle Kegel wackelt bedenklich - doch er fällt nicht. Ein enttäuschtes "Oooh!" klingt am Donnerstagmorgen durch den Festsaal des städtischen Seniorenzentrums. An diesem Tag steht in Kölns größter Senioreneinrichtung nicht Sitzgymnastik oder Gedächtnistraining auf dem Programm, stattdessen wird nach Herzenslust mit der Wii-Konsole von Nintendo gespielt. Zehn Bewohnerinnen vertreten das Heim bei der deutschen Wii Sports Bowling Seniorenmeisterschaft.

Autor/in:
Markus Peters
 (DR)

Sie versuchen, auf der virtuellen Kegelbahn möglichst viele Punkte zu erspielen, damit ihr Heim im Vergleich mit anderen Senioreneinrichtungen gut abschneidet. Schon kurz nach der Aufwärmrunde herrscht Wettkampfstimmung im Mehrzwecksaal. Jeder gelungene Wurf wird mit Bravo-Rufen und Applaus gefeiert. Und daran mangelt es nicht, regelmäßig brauchen die ebenso betagten wie hoch motivierten Mitspielerinnen nur ein oder zwei Versuche, um alle zehn Kegel auf dem Bildschirm abzuräumen.

Die Idee zu der Meisterschaft kam dem Münchner Sozialarbeitsstudenten Markus Deindl, nachdem er sich 2006 die neue Wii-Konsole selbst zu Weihnachten geschenkt hatte. Bei der Weihnachtsfeier der Familie griffen nicht nur Geschwister und Cousins zu der Fernbedienung, mit der die Bewegungen der Spieler auf einen Monitor übertragen werden. «Auch meine Oma und mein Opa waren daran interessiert. Dies war ungewöhnlich, zumal sich meine Großeltern nie für meine neuen technischen Geräte begeistern konnten», berichtet der 26-Jährige. Doch die beiden Senioren fanden Spaß an den Bewegungen und dem Videospiel, dessen Prinzip sie nach wenigen Versuchen begriffen hatten.

Gemeinsam mit seinem Kommilitonen Josef Kiener entwickelte Deindl daraus ein Konzept, das im vergangenen Jahr nach zunächst zögerlichem Interesse von bundesweit 55 Seniorenheimen aufgegriffen wurde: «Uns war es nicht nur ein Anliegen, innerhalb der Veranstaltung den Kampfgeist der Senioren zu wecken, sondern auch den Gemeinschaftssinn der Teilnehmer einer Einrichtung untereinander zu stärken. Außerdem wollten wir ihnen neue technische Medien wie die neue Spielkonsole vorführen, ohne sie damit zu überfordern.»

In Köln ist die Idee aufgegangen. Vor einem halben Jahr wurden zwei Wii-Konsolen angeschafft, die seitdem regelmäßig von etwa 50 Senioren genutzt werden. Vor der Deutschen Meisterschaft habe es regelmäßiges wöchentliches Training und interne Wettkämpfe gegeben, berichtet Heimleiterin Gabriele Patzke: «Man darf das Interesse von Senioren an neuer Technologie nicht unterschätzen. Auch unser Internet-Café und die Computer- und Handy-Kurse werden rege genutzt.» Sie kann sich vorstellen, die Wii-Spiele später auch in Pflegestationen einzusetzen: «Es mobilisiert die Menschen, macht Spaß und vertreibt die Zeit.» Und es könne auch von Menschen genutzt werden, die in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind, weil sie im Rollstuhl sitzen.

Älteste Teilnehmerin in Köln war die 91-jährige Erika Lemme, der trotz starker Sehbehinderung noch der eine oder andere «Strike» gelang: «Man muss sich Mühe geben, schließlich tritt man ja auch für die anderen Herrschaften an.» Berührungsängste mit der modernen Technik hatte sie nicht: «So etwas soll man ruhig ausprobieren, sonst rostet man ja ein.» Eine Einstellung, die Mitorganisator Josef Kiener nicht überrascht: «Unsere älteste Teilnehmerin war 103 Jahre alt und saß im Rollstuhl.»

In Köln erhält jeder Teilnehmer des zweistündigen Wettbewerbs eine Urkunde. Gleichzeitig werden die drei Spieler mit den höchsten Punktzahlen mit einer Bronze-, Silber- und Goldmedaille geehrt. Weitere Wettkämpfe finden noch bis 9. September in Hamburg, Berlin und München statt. Danach wissen die Kölner Senioren, wie gut sie im Bundesvergleich abgeschnitten haben.

Wie es mit der Wii Sports Bowling Seniorenmeisterschaft weitergeht, ist noch offen. Für Josef Kiener und Markus Deindl beginnt im Herbst ihr siebtes und letztes Studiensemester. Sie hoffen darauf, dass sich Sponsoren finden, damit ihr Projekt fortgesetzt werden kann.