Köhler würdigt am Volkstrauertag Prozess der europäischen Einigung

Erinnern an Kriegsopfer

Bundespräsident Horst Köhler hat am Volkstrauertag die europäische Einigung als Garant für Frieden und Freiheit gewürdigt. "Für mich ist die Europäische Union die Idee einer Friedensordnung", sagte Köhler bei der zentralen Gedenkveranstaltung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge am Sonntag im Bundestag. Europa habe nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinen Millionen Toten ein Beispiel dafür gegeben, wie sich Frieden gewinnen lasse.

 (DR)

Am Volkstrauertag wird jährlich der Toten von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht und zur Versöhnung und Völkerverständigung aufgerufen. Dazu fanden am Sonntag überall in Deutschland Veranstaltungen statt. Vor dem Gedenken im Bundestag legten Köhler und Vertreter der anderen Verfassungsorgane Kränze in der zentralen Gedenkstätte Neuen Wache in Berlin nieder.

In seiner Rede im Bundestag pries Köhler die europäische Einigung als Modell für die ganze Welt an. Wenn der Zusammenklang von friedlichem Aufbau, gegenseitigem Vertrauen und generationenübergreifendem Engagement überall gelinge, «dann hat die Menschheit die Chance, den Teufelskreis immer neuer Kriege und bewaffneter Konflikte endlich zu durchbrechen».

Der Bundespräsident hob hervor, dass Deutschland sich in den vergangenen Jahrzehnten seiner Verantwortung in der Welt gestellt habe. Dabei verwies er auch auf den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, wo der friedliche Aufbau erst noch mit Waffen geschützt und durchgesetzt werden müsse. Die Soldaten dort stünden in einem schwierigen und gefährlichen Einsatz. «Sie brauchen Rückhalt hier bei uns in der Heimat.» Deshalb sei es wichtig, dass sich möglichst alle in Deutschland über die Ziele des Einsatzes in Afghanistan Klarheit verschafften.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, forderte, künftig auch verstärkt der Frauen zu gedenken, die im Krieg Opfer sexueller Gewalt werden. Sie seien «Opfer, die allzu lange verschwiegen wurden - auch im Gedenken am Volkstrauertag», sagte Käßmann in Osnabrück bei einem Festgottesdienst zum 100-jährigen Bestehen der Lutherkirche. Erst nachdem die Massenvergewaltigungen von Frauen im Bosnien-Krieg Anfang der 1990er Jahre bekanntgeworden seien, hätten auch deutsche Frauen begonnen, über ihre Gewalterfahrungen zu sprechen.

Auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in München gedachte die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, der im Ersten Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten.

Dabei kritisierte sie einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der einen Neonazi-Marsch in München am Samstag vor dem Volkstrauertag zugelassen hatte. An dem Zug in der Tradition der «Heldengedenkmärsche» der Nazis nahmen den Angaben zufolge rund 200 Rechtsextreme teil, bei Gegendkundgebungen versammelten sich etwa 3.000 Menschen.

Der Volkstrauertag wurde in der Bundesrepublik 1952 auf Anregung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge wieder eingeführt. Die Ursprünge des Volkstrauertags reichen bis ins Jahr 1922, als im Reichstag der Weimarer Republik die erste offizielle Feierstunde stattfand. Damals veranstaltete der Volksbund eine Gedenkfeier, um das Gedenken an die Millionen Kriegstoten des Ersten Weltkrieges zu wahren. Die Nationalsozialisten wandelten den Volkstrauertag nach der Machtübernahme 1933 in einen «Heldengedenktag» um, der bis 1945 jährlich im März stattfand.