Demonstrative Hinwendung
Köhler wendet sich demonstrativ Hinwendung zu der politisch und sozial aktiven, aber zahlenmäßig schwindenden deutschen Minderheit in Siebenbürgen.
Nach dem Empfang durch den deutschen Bürgermeister Klaus Johannis besichtigt Köhler das frisch sanierte historische Stadtzentrum, spricht mit Schülern des mehr als 625 Jahre alten deutschen Traditionsgymnasiums Brukenthal, besucht den evangelischen Bischof Christoph-Michael Klein und begegnet im "Deutschen Kulturzentrum" Vertretern der Siebenbürger Sachsen.
Deutsche genießen großes Vertrauen
Hermannstadt, eine deutsche Gründung des Mittelalters, ist der richtige Ort dafür. Die Deutschen, die nur noch etwa ein Prozent der Bevölkerung ausmachen, genießen hier großes Vertrauen der rumänischen Bevölkerung: Bürgermeister Johannis wurde 2004 mit 89 Prozent der Stimmen wiedergewählt. 16 von 24 Ratsmitgliedern, zwei Drittel der Bürgervertretung, sind Deutsche.
Seit Johannis regiert, das räumen Vertreter aller Parteien, Volksgruppen und Religionen ein, hat die Korruption im gleichen Maße abgenommen wie das Defizit im Stadtsäckel. Sibiu ist wieder kreditwürdig. Es gibt eine Bauaufsicht, die diesen Namen verdient - und es müssen nicht mehr ständig die Reparaturen repariert werden. Auch wirtschaftlich weht ein warmer Wind des Wandels. In und um Sibiu gibt es nahezu Vollbeschäftigung. Fast magnetisch zieht die Stadt ausländische, vor allem deutsche Investoren an.
Unternehmen wie Thyssen-Krupp, Siemens oder Continental haben sich angesiedelt.
"Wir sind hier Museumsstücke geworden"
Doch das vermeintliche deutsche Idyll im rumänischen Sibiu trügt auch. Der Nachkriegs-Exodus Richtung Westen, der durch den Sturz des Ceausescu-Regimes 1990 einen weiteren Schub erhielt, hat das jahrhundertealte Deutschtum in Siebenbürgen fast komplett ausbluten lassen. "Wir sind hier Museumsstücke geworden", sagt Marga Grau, mit 76 Jahren das älteste Mitglied im Stadtrat.
Manche sehen die derzeit starke deutsche Präsenz in der Politik gar als "letztes Aufflackern vor dem Ende". Schließlich sind in Hermannstadt nur noch 1.400 bis 1.600 Deutsche übrig. Das schafft existenzielle Probleme - auch für die evangelische Kirche, aus deren lutherischer Ethik sich Arbeitseifer, Disziplin und das bemerkenswerte Bildungsbewusstsein der Siebenbürger Sachsen speisen. Die Gemeinden überaltern und schrumpfen.
Generationenbrücke
Und selbst dort, wo junge Familien nachwachsen, wie durch den Zuzug deutschsprachiger Wirtschaftskräfte nach Sibiu, müssen alte und neue Gemeindemitglieder die Generationenbrücke beschreiten, betont Pfarrer Stefan Cosoroaba. Nötig sei ein gemeinsamer Weg zwischen Identität stiftender, bislang ungebrochener Tradition und einer Öffnung für die Zukunft.
Sein Kollege, der Hermannstädter Stadtpfarrer Kilian Dörr, zeigt die Entwicklung an einem Beispiel auf. "Es gibt mittlerweile Beerdigungen von alten Sachsen, wo ich nur Rumänisch spreche", berichtet er. "Die Kinder aus Deutschland können nicht kommen. Anwesend sind nur die rumänischen Nachbarn, Bekannte und Arbeitskollegen." Natürlich spricht der Pfarrer dann Rumänisch: "Wieso auch nicht, wenn nur der Tote noch Deutsch versteht?"
Köhler begegnet in Hermannstadt der deutschen Minderheit
Besuch der alten Dame
Der Rumänien-Besuch von Bundespräsident Horst Köhler steht am Dienstag ganz im Zeichen der deutsch-deutschen Begegnung. Seine Visite in Sibiu (Hermannstadt) gilt zwar auch der Europäischen Kulturhauptstadt 2007 und dem Vorzeige-Standort deutsch-rumänischer Wirtschaftskooperation im Jahr des rumänischen EU-Beitritts. Das Programm zeigt aber einen anderen Akzent.
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