Kloster und Begegnungszentrum Sankt Marienthal räumen auf

Millionenschaden nach der Neißeflut

Statt Gesangbüchern, Kerzen oder Rosenkränzen dominieren Putzeimer, Schaufeln und Schubkarren in der Kirche des Klosters Sankt Marienthal: Nach dem Jahrhunderthochwasser an der Neiße wird in der 776 Jahre alten Zisterzienserinnenabtei nun aufgeräumt.

Autor/in:
Markus Nowak
 (DR)

Restauratorin Kati Böckelmann bringt auf den Kreuzwegbildern an den Wänden des Gotteshauses eine Sicherungsbeklebung an, damit die jahrhundertealten Gemälde nicht abblättern. Bis Kinnhöhe hatten die Fluten des Grenzflusses gestanden. «Es war ein Schock, die Kunstwerke in diesem Zustand zu sehen», sagt Böckelmann. Wie weitere Freiwillige beschloss sie, bei der Beseitigung der Schäden zu helfen.

Vom Hochwasser in der Grenzregion zu Polen und Tschechien war Deutschlands traditionsreichste Zisterzienserinnenabtei besonders betroffen. Das unmittelbar am Neißeufer gelegene barocke Kloster und das Internationale Begegnungszentrum (IBZ) auf seinem Gelände standen zum großen Teil im Wasser. Die Schäden an Gebäuden und Kunstschätzen gehen in die Millionen. Allein das IBZ rechnet mit einem Schaden von mindestens 3,5 Millionen Euro.

Im Klosterhof schaufeln junge Erwachsene Schlamm von den Gehwegen auf eine Schubkarre. Ingmar Schönfelder hat Freunde aus dem nahen Großhennersdorf mitgebracht, um gemeinsam anzupacken: «Das ist Ehrensache. Wir wurden vom Wasser verschont, also helfen wir hier», betont der 24-Jährige. Äbtissin Regina Wollmann bringt ihnen Süßigkeiten zur Stärkung. «Die Hilfe ist überwältigend», freut sie sich.

Die 69-jährige Ordensfrau hat bereits die Flut von 1981 miterlebt. Aber die Welle, die in der Nacht des 7. August über die Schutzzäune schwappte, überstieg selbst die bisherige Rekordmarke von 1897 um 20 Zentimeter. Fast alle Bauten der Klosteranlage standen bis zu zwei Meter im Wasser. «Es war ein Rauschen wie Meereswellen», sagt die Äbtissin.

Von den Behörden kamen in dieser Nacht drei Räumungsbefehle. Doch die 15 in Klausur lebenden Zisterzienserinnen befolgten ihn nicht. «Wir leben hier», erklärt Priorin Elisabeth Vaterodt, «da geht man nicht weg. Außerdem wäre es zu dem Zeitpunkt schon zu spät gewesen». Die 150 Gäste des IBZ wurden dagegen evakuiert und in Turnhallen untergebracht.

In Kooperation mit den Zisterzienserinnen bietet das Zentrum seit fast 20 Jahren Bildungsveranstaltungen in der Grenzregion. Das Kloster wie auch das Begegnungszentrum seien angesichts der immensen Schäden in ihrer Existenz bedroht, betont der IBZ-Vorstandsvorsitzende Michael Schlitt. Allein an seiner Einrichtung hängen über 100 Arbeitsplätze. Einen Versicherungsschutz hat das Bildungszentrum wegen der permanenten Hochwassergefahr nicht.

Einem Hilferuf von Kloster und IBZ folgten Schwestern aus anderen Klöstern, Bundespolizisten und weitere Förderer Sankt Marienthals, insgesamt sind es 200. Sie stapeln die unbrauchbaren Möbel im Hof und reinigen, was sich säubern lässt. Mit Bürste und Wasser geht Katharina Nowak ans Werk. Sonst stellt die Klosterschneiderin in Handarbeit liturgische Gewänder her. Nun streicht die 63-Jährige mit einer Handbürste über eine Mess-Stola, um den eingedrungenen Lehm zu entfernen. Doch viele Textilien sind nicht mehr zu retten. Das Hochwasser zerstörte das Mobiliar im Erdgeschoss, alle Gerät der Backstube des Klosters und etliche Kunstgegenstände.

Dennoch sind die Zisterzienserinnen von Sankt Marienthal frohen Mutes. Mit leuchtenden Augen verweist Äbtissin Regina Wollmann auf ein Miniaturmodell des Klosters, das in einem der überfluteten Gebäude ausgestellt war. «Wie durch Gotteshand ist es nicht nass geworden», sagt die Äbtissin. Für sie ein Fingerzeig für Sankt Marienthal.