Klitschko trifft erneut Janukowitsch

Aufgeheizte Lage in Kiew

In Kiew stehen sich gewaltbereite Demonstranten und Polizei weiter gegenüber. Prowestliche Regierungsgegner um Klitschko treffen sich zum Krisengespräch mit dem prorussischen Präsidenten Janukowitsch.

Rauch über Kiew (dpa)
Rauch über Kiew / ( dpa )

Im erbitterten Machtkampf in der Ukraine stehen die Zeichen weiter auf Konfrontation. Zwischen Sondereinheiten der Polizei und gewaltbereiten Demonstranten kam es in Kiew nach einem kurzen Waffenstillstand erneut zu Zusammenstößen mit Brandsätzen und Tränengas. Der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko appellierte in einer Videobotschaft an Polizei und Justiz, sich nicht an Repressionen der prorussischen Führung gegen das eigene Volk zu beteiligen. Die Behörden in Kiew bestätigten am Samstag den Tod eines Verletzten. Er wäre das offiziell vierte Todesopfer der Proteste.

Klitschko kam zu einem erneuten Krisentreffen mit Staatschef Viktor Janukowitsch zusammen. An dem Gespräch nahmen für die prowestlichen Regierungsgegner auch Ex-Parlamentschef Arseni Jazenjuk sowie Nationalistenführer Oleg Tjagnibok teil. Über die Dauer des Treffens war nichts bekannt. Bisherige Gespräche waren ergebnislos verlaufen. Zwar stellte Janukowitsch zuletzt Zugeständnisse in Aussicht. Die Opposition bezeichnete dies aber als "Hinhaltetaktik".

Die Vaterlandspartei der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko warnte Janukowitsch davor, den Ausnahmezustand zu verhängen. "Das würde das Land spalten", hieß es in einem Aufruf.

Im Zentrum von Kiew drohten die Sicherheitskräfte den hinter Barrikaden verschanzten Regierungsgegnern mit einer Offensive, sollten sie nicht zwei entführte Milizionäre herausgeben. Die Demonstranten wiesen die Schuld am Verschwinden der Polizisten zurück. Regierungsgegner versuchten nach der Besetzung des Agrarministeriums, auch das Energieministerium zu stürmen. Das Behörde gilt als Schlüsselressort der Ex-Sowjetrepublik: Die Ukraine ist das wichtigste Transitland für russische Gaslieferungen in die EU. Die Demonstranten verließen nach kurzer Zeit das Gebäude wieder.

Präsident Janukowitsch ernannte unterdessen seinen Vertrauten Wladimir Makejenko zum neuen Chef der Verwaltung in Kiew. Der bisherige Parlamentsabgeordnete Makejenko, der in Russland geboren ist, gilt als Befürworter einer "harten Linie" auch gegen friedliche prowestliche Demonstranten. EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle forderte in Kiew alle Konfliktparteien auf, die Gewalt zu stoppen.

Der prorussische Präsident Janukowitsch versuche, sich "um den Preis von Blut und Destabilisierung an der Macht zu halten", sagte Klitschko. In einem knapp einminütigen Clip, den seine Partei Udar (Schlag) in Kiew veröffentlichte, betonte der Ex-Boxweltmeister, die Behörden seien zum Schutz der Menschen da. "Führen Sie keine verbrecherischen Befehle aus und lassen Sie sich nicht zu ungerechten und illegalen Handlungen hinreißen", appellierte er an Polizei und Justiz. Klitschko fordert unter anderem Janukowitschs Rücktritt.

Drohung einer gewaltsamen Auflösung der Proteste

Das Gesundheitsamt bestätigte den Tod eines Mannes. Er sei in einer Klinik seinen Brustverletzungen erlegen. Über die Hintergründe machte die Behörde zunächst keine Angaben. Eine Sprecherin der Demonstranten sagte, es handele sich um einen 45-jährigen Regierungsgegner aus der Westukraine. Sie machte die Polizei für den Tod verantwortlich. Bisher haben die Behörden drei Opfer bestätigt.

Innenminister Witali Sacharschenko drohte den Demonstranten indirekt mit einer gewaltsamen Auflösung der Proteste. "Versuche einer friedlichen Lösung waren bisher zwecklos", warnte er.

Im nationalistisch geprägten Westen des Landes hielten Demonstranten in mehreren Städten weiter offizielle Gebäude besetzt. So stürmten in Winniza Regierungsgegner den Sitz des örtlichen Rats. Im Osten der Ukraine, der als Hochburg von Janukowitsch gilt, erklärten sich Fanclubs einflussreicher Sportvereine solidarisch mit den Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in Kiew.

Die Proteste waren ausgebrochen, nachdem Janukowitsch im November auf Druck Russlands ein von der Opposition als historische Chance betrachtetes Annäherungsabkommen mit der EU auf Eis gelegt hatte.


Maidan-Platz in Kiew (dpa)
Maidan-Platz in Kiew / ( dpa )
Quelle:
dpa