Klinik-Clown Hoffkamp zum Phänomen der Grusel-Clowns

Schwäche macht stark

Übergriffe von sogenannten Grusel-Clowns sorgen in Deutschland mehr und mehr für Aufregung. Wirkliche Clownerie bedeute jedoch genau das Gegenteil dieser Auftritte, betont Klinik-Clown und Pastoralreferent Ludger Hoffkamp.

Pastoralreferent Ludger Hoffkamp / © privat
Pastoralreferent Ludger Hoffkamp / © privat

domradio.de: Sie müssen doch eigentlich besonders sauer auf diese Grusel-Clowns sein, oder?

Ludger Hoffkamp (katholischer Pastoralreferent, arbeitet als Clown Kampino in Kliniken und Altenheimen): Ich wäre vorsichtig, das jetzt zu stark zu dramatisieren. Denn, je mehr wir das Ganze jetzt hochspielen, desto stärker wird es möglicherweise Nachahmungseffekte bringen. Auf der anderen Seite ist es natürlich schon ernst zu nehmen. Ich selber bin seit fünfzehn Jahren Krankenhaus-Clown. Und das Prinzip des Clownspiels bedeutet eigentlich gerade, dass wir Clowns unsere Schwäche zeigen.

Indem wir unsere Schwäche zeigen, fühlen Kinder sich stark. Und wenn sie sich stark fühlen, vergessen sie ihre Krankheit und ihre Schwächen. Sie können diese Schwächen quasi bei uns Krankenhaus-Clowns abladen. Darin liegt das eigentliche positive Geheimnis der Clowns, vor allem der Klinik-Clowns. Ich finde es sehr positiv, wenn Kinder sich durch Clowns entlasten können. Durch diese Horrorclowns passiert jetzt genau das Gegenteil - sie belasten.

domradio.de: Die Horror-Clowns zeigen Stärke, Sie haben gesagt, sie müssen Schwäche zeigen. Wie machen Sie das denn?

Hoffkamp: Wir Clowns versuchen uns bewusst, nicht zu stark zu schminken - das unterscheidet uns auch von den Horrorclowns - damit durch diese Maske das menschliche Gesicht und das Scheitern von uns selbst, unsere eigene Schwäche, durchdringt. Zum Beispiel signalisieren wir, indem wir ins Zimmer reinstolpern, sofort, dass wir das Leben nicht im Griff haben. Dadurch haben die Kinder das Gefühl: "Da ist einer, der noch ein bisschen dümmer dran ist als ich." Wenn man jetzt diese Horror-Clowns betrachtet, machen die genau das Gegenteil: Sie versuchen eigentlich, sich von einer starken Seite zu zeigen. Dadurch drehen sie das ins Gegenteil, was eigentlich wirkliche Clownerie bedeutet.

Paulus hat im Zweiten Korintherbrief gesagt: "Eure Schwäche wird Eure Stärke sein." Und die Menschen, die jetzt als Horrorclowns unterwegs sind, versuchen - glaube ich - durch diese Maske hindurch ihre eigene Ohnmacht zu zelebrieren. Ich denke, das ist ein psychologisches Thema. Sehr oft sind es nämlich Menschen, die sehr stark beschämt wurden in ihrer Kindheit, die versuchen, sozusagen andere Leute zu erschrecken. Ich denke, das ist ein Schamthema. Denn Menschen, die beschämt wurden in ihrer Kindheit, die viel ausgelacht wurden, versuchen jetzt, das zu kompensieren, indem sie sich mächtig inszenieren, so wie es die Horror-Clowns tun. 

domradio.de: Merken Sie denn bei Ihrer Arbeit mittlerweile, dass die Leute zweimal hingucken, wenn Sie ins Zimmer stolpern?

Hoffkamp: Im Augenblick noch nicht. Natürlich werde ich jetzt auch permanent darauf angesprochen. Ich selber arbeite auch für die Stiftung von Eckart von Hirschhausen "Humor hilft heilen". Wir haben eigentlich die ganzen letzten Jahrzehnte festgestellt, dass Kinder sich freuen, wenn wir kommen. Es gibt ganz wenige Situationen, wo sie auch Respekt haben und kurz Angst bekommen. Aber diese Angst kann man in der Regel abbauen, indem man die Schwäche zeigt, die wir haben. Deshalb erleben wir es höchst selten, dass Kinder Angst vor uns haben. 

domradio.de: Sie haben es eben schon kurz angedeutet: Es steckt auch viel christliches Menschenbild in der Figur Ihres Clowns Kampino.

Hoffkamp: Ja, in gewissem Sinn auf jeden Fall. Die Menschlichkeit ist eigentlich genau an dem Punkt da, wo es darum geht, dass ich mir klar mache, dass ich geliebt werden will. Wir Menschen haben ja alle das Bedürfnis, geliebt zu werden, Anerkennung zu finden. Es heißt ja schon in der Bibel in der Entstehungsgeschichte: "Adam erkannte Eva." Wir möchten erkannt werden, um diesen Begriff mal ganz anders zu denken. Erkennen hat etwas sehr Intimes, und genau dieses Intime spiegelt sich oft im Blick des Clowns mit dem Kind. 

Das Interview führte Heike Sicconi. 


Quelle:
DR