Kirchliches Hilfswerk erbt Brauerei und betreibt sie weiter

Neue Mission für Hopfen und Malz

Hinter einer großzügigen Gabe verbirgt sich manchmal eine stattliche Aufgabe. Diese Erfahrung macht gerade eine Hilfsorganisation in München mit dem Vermächtnis einer Brauereibesitzerin im Bayerischen Wald.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Am Ortseingang von Drachselsried im Bayerischen Wald hängen Fahnen der Brauerei Schlossbräu Drachselsried über einem Schild und einem großen Bierfass / © Christoph Renzikowski (KNA)
Am Ortseingang von Drachselsried im Bayerischen Wald hängen Fahnen der Brauerei Schlossbräu Drachselsried über einem Schild und einem großen Bierfass / © Christoph Renzikowski ( KNA )

Kirche und Bier sind Geschwister, Gasthaus und Gotteshaus oft gute Nachbarn. 

Nicht von ungefähr pflegten Mönche und Nonnen jahrhundertelang neben dem Beten auch die Braukunst. Doch während diese Tradition an ihr Ende kommt, ergeben sich überraschend neue Allianzen.

Ein Anhänger vom Schlossbräu Drachselsried  / © Christoph Renzikowski (KNA)
Ein Anhänger vom Schlossbräu Drachselsried / © Christoph Renzikowski ( KNA )

Das katholische Hilfswerk missio München hat vor drei Jahren eine Brauerei im Bayerischen Wald geerbt und denkt gar nicht daran, sie gleich wieder abzustoßen. Obwohl der kleine Traditionsbetrieb rote Zahlen schreibt.

Von den Wänden bröckelt der Putz

Am Ortseingang von Drachselsried im Zellertal unweit des Großen Arber hängen die Fahnen vom Schlossbräu in Fetzen herab. Ein alter Brauereianhänger steht wie verloren auf der Wiese. Von den Wänden der Firmengebäude bröckelt der Putz. 

Der Postkartenautomat in der stillgelegten Hotel-Pension "Zum Schlossbräu" wartet vergeblich darauf, dass ein Gast 50 Cent einwirft.

Bierflaschen der Brauerei Schlossbräu Drachselsried / © Christoph Renzikowski (KNA)
Bierflaschen der Brauerei Schlossbräu Drachselsried / © Christoph Renzikowski ( KNA )

Die "Kalbsrolade m. hausgem. Eierspätzle" zu 8,50 Euro, wie sie mit Kreide auf der Tafel hinter dem Schankraum in der Ecke steht, wird auch schon lange nicht mehr zubereitet. Alles in allem ergibt sich der Eindruck, dass die Zeiten hier schon einmal wesentlich besser waren. Auch wenn das im Bierkeller frisch gezapfte "Zwickl" wunderbar mundet.

Tragisches Familienschicksal

Hinter dem Erbe verbirgt sich ein tragisches Familienschicksal aufseiten der ehemaligen Besitzer. Maria Anna Bruckmayer war schon 75 Jahre alt, als sie von heute auf morgen beim Schlossbräu das Ruder in die Hand nehmen musste. 

Nach dem Tod ihres Mannes war 2009 auch ihr Sohn, damals Juniorchef, einem Krebsleiden erlegen. Dessen Bruder war zuvor schon an einem Herzinfarkt gestorben.

"Ohne meine Mitarbeiter hätte ich nicht weitergemacht"

"Ohne meine Mitarbeiter hätte ich nicht weitergemacht", zitiert sie ein alter Zeitungsbericht, der im Büro an der Wand hängt. Und dass es nur deshalb weitergegangen sei, weil die Belegschaft fest zusammengehalten habe. 

Das Foto dazu zeigt eine zierliche Person. Auf dem Ölgemälde gegenüber, ein Geschenk der Mitarbeiter, wirkt sie kräftiger und größer.

Maria Anna Bruckmayer starb mit 89 am ersten Tag des Jahres 2022. Ihr Unternehmen und weiteren Besitz vermachte sie einer Einrichtung, der sie schon lange als Wohltäterin verbunden war: missio in München. Die einzige Auflage war, dass zumindest fünf Jahre lang alle zwölf Arbeitsplätze der Brauerei erhalten bleiben sollten.

Ein Exportbier namens Respekt

So ist eine eigentümliche Verbindung entstanden. Das Hilfswerk betreibt zwar seit Jahren Erbschaftsmarketing, um seine Einnahmen zu verbessern. Eine Firma war aber noch nicht dabei. 

Michael Schmalzreich, Geschäftsführer vom Schlossbräu Drachselsried, und Stephanie Brücks, Geschäftsführerin der Hilfsorganisation missio München / © Christoph Renzikowski (KNA)
Michael Schmalzreich, Geschäftsführer vom Schlossbräu Drachselsried, und Stephanie Brücks, Geschäftsführerin der Hilfsorganisation missio München / © Christoph Renzikowski ( KNA )

Die neue missio-Geschäftsführerin Stephanie Brücks, erst seit Oktober 2023 im Amt, nähert sich der Aufgabe durchaus mit Enthusiasmus, aber nicht ohne Respekt. "Respekt" heißt auch das Exportbier vom Schlossbräu, angeblich eine Idee, die am Stammtisch geboren wurde.

Um in Drachselsried mit anpacken zu können, hat die Volkswirtin einen Gabelstaplerführerschein gemacht. Langfristig soll die Brauerei wieder in die Gewinnzone geführt werden. 

Zumindest ein Teil des Profits könnte dann in missio-Projekte im Bereich Landwirtschaft und Wasser im globalen Süden fließen. So lautet die Vision. Brücks verbreitet Zuversicht, aber sie weiß auch, dass der Weg dorthin noch weit ist.

Zunächst muss ein Investitionsstau von rund 20 Jahren behoben werden. Spielraum dafür gibt es zwar, denn zum Erbe gehören weitere Immobilien, die sich versilbern lassen. Trotzdem lässt sich jeder daraus erlöste Euro nur einmal ausgeben. Also gilt es sorgsam abzuwägen. 

Spenden für das unternehmerische Abenteuer einzusetzen, kommt für das Hilfswerk nicht infrage. Auch deshalb ist der neue Lieferwagen, den die missio-Frau mit dem jungen Brauereigeschäftsführer Michael Schmalzreich im Hof begutachtet, geleast, nicht gekauft.

Millionenbetrag investiert

Schon im ersten Jahr waren Anschaffungen in ganz anderen Größenordnungen fällig. Neue Heißwassertanks mussten her, die Sudpfanne brauchte einen neuen Boden, die Abfüllanlage eine Generalüberholung.

Neue Bierkästen wurden besorgt, Münchner Designerinnen frischten den Markenauftritt auf. Im zweiten Jahr kam ein Flascheninspektor hinzu. Der Automat sortiert beschädigtes Leergut aus. Alles zusammen kostete eine siebenstellige Summe. Seither geht es wieder aufwärts mit dem Umsatz, aber wird die Puste reichen?

Seit der Coronakrise haben allein in Bayern 50 Braustätten aufgegeben. Die Deutschen mögen immer weniger Bier. Alkoholfreies liegt im Trend. Ein solches fände auch missio-Vorstandsfrau Brücks prima, aber das ist momentan für den Schlossbräu in Drachselsried nicht drin. Zu aufwendig.

Doch Schmalzreich und seine Mannschaft wollen nicht kampflos klein beigeben. "Woidkracherl" heißt seine neueste Kreation: eine Limo aus Limette, Zitrone und Kräutern mit nur wenig Zucker, seit vergangenem Herbst auf dem Markt. 

Die komme auch in München gut an, schwärmt Brücks nach ersten Tests und will wissen, ob man nicht weitere Geschmacksrichtungen anbieten könnte? Vielleicht unter Einsatz von Hibiskus-Sirup, hergestellt von missio-Partnern im Senegal?

Neue Limorezeptur ist "streng geheim"

Schmalzreich winkt höflich ab. Die Zutaten müssten schon vorwiegend aus der Region kommen. Aber er habe ein zweites "Woidkracherl" in der Pipeline. Mit welcher Rezeptur? "Streng  geheim."

Lieber spricht der Brauereichef über die bevorstehende Einführung der Getränkedose. Die mangelnde Rückgabedisziplin bei den Glasflaschen macht vor allem kleinen Getränkeerzeugern große Probleme. Gerade hat er neue bestellt, zu 20 Cent das Stück. Bei einem Pfand von 8 Cent sei das eigentlich nicht darstellbar, sagt er.

Ausgerechnet am Tag des Besuchs aus München streikt auch noch die Abfüllanlage. Ob Lorenz Aschenbrenner (71) schon herausgefunden hat, woran es hakt? Seit 57 Jahren ist der Brauer im Betrieb, seit sechs Jahren offiziell in Rente, aber davon will er nichts wissen. 

"Die Brauerei ist mein Leben." Er macht also weiter, Vollzeit. Auch heute, am Geburtstag seiner Frau. "Des werd ma scho wieder hibringa", sagt er in aller Bierruhe und nippt an einem Pils. "War bisher immer so."

Das Hilfswerk missio

Das Internationale Katholische Missionswerk missio mit Sitz in Aachen und München ist eines von weltweit mehr als 100 Päpstlichen Missionswerken. Missio München ist das Missionswerk der bayerischen, missio Aachen das der anderen deutschen Bistümer. Das Wort missio kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Sendung.

 (KNA)
Quelle:
KNA