Kirchlicher Kongress war 1960 erstes Mega-Event nach dem Krieg

Generalprobe für das Zweite Vatikanische Konzil

Mit einer Million Teilnehmer war der Eucharistische Weltkongress vom 31. Juli bis 7. August 1960 in München das erste internationale Großereignis in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Zum Jubiläum eröffnet Erzbischof Reinhard Marx morgen eine Ausstellung in der Karmeliterkirche.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
 (DR)

Der bayerische Innenminister rief den Notstand aus und schickte 5.000 Polizisten. Sie sollten einen Massenauflauf in geordnete Bahnen lenken, wie ihn die junge Bundesrepublik noch nicht gesehen hatte.

Eucharistische Weltkongresse sind eine Erfindung französischer Laien, die damit dem erstarkenden Atheismus begegnen wollten. Nach bescheidenen Anfängen entwickelten sie sich im 20. Jahrhundert zu triumphalen Selbstdarstellungen der Weltkirche mit stundenlangen Sakramentsprozessionen als Höhepunkt. In ihrem Charakter glichen sie ausgedehnten Fronleichnamsfeiern.

München wäre 1960 für die 37. Ausgabe gar nicht an der Reihe gewesen, denn längst hatte Maputo in Mosambik den Zuschlag erhalten. Doch als die Afrikaner aus Geldmangel 1956 passen mussten, schlug die Stunde des Münchner Kardinals Joseph Wendel. Dieser wollte die Großveranstaltung schon länger an die Isar holen. Bei Papst Pius XII., der Jahrzehnte zuvor als bayerischer Nuntius selbst in München residiert hatte, stieß er auf offene Ohren. Nach dessen Tod 1958 fand Wendel auch die Unterstützung des neuen Papstes Johannes XXIII.

Der wollte sogar selbst nach München kommen, doch die Teilnahme des Kirchenoberhaupts war politisch unerwünscht. Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) hatte Vorbehalte gegen die vom Roncalli-Papst eingeleitete neue vatikanische Ostpolitik. Er vermisste bei ihm das antikommunistische Bekenntnis seines Vorgängers.

Der Kalte Krieg warf noch andere Schatten auf das Glaubenstreffen. So verwehrten die Ostblock-Länder ihren katholischen Bürgern geschlossen die Ausreise. Ein gefundenes Fressen fand die kommunistische Propaganda in der Tatsache, dass Wendel Militärbischof war und auch Bundeswehrsoldaten in Uniform am Kongress mitwirkten.

Wendel, der sich in der Organisation um viele Details selbst kümmerte, verfolgte eine klare Linie: Von München sollte, unterstützt durch ein Großaufgebot der Medien, ein Signal der Öffnung ausgehen. Vehikel dafür war die Liturgie, deren Erneuerung schon länger von Theologen in Frankreich und Deutschland betrieben und in vielen Gemeinden praktiziert wurde. Präsentiert werden sollte eine Kirche, die sich als pilgerndes Volk Gottes versteht, in der es weniger ums Zuschauen, sondern ums Mitmachen geht, und die sich nicht von der Welt abschottet.

Die Zeit dafür war günstig, denn Johannes XXIII. hatte gerade das Zweite Vatikanische Konzil ausgerufen, das 1962 begann. Der Papst soll den Münchner Kongress später als dessen «Generalprobe» bezeichnet haben. Augenfälliges Symbol für die Botschaft der Großveranstaltung an die Welt war eine zehn Meter hohe und nach allen Seiten offene Altarinsel mitten auf der Theresienwiese, die von einem kronenförmigen, nachts beleuchteten gelben Zeltdach überspannt wurde. Erste Kirchenneubauten am Münchner Stadtrand hatten schon 1955 den in der Mitte des Gotteshauses zentrierten Volksaltar realisiert - als Vorboten der Liturgiereform.

München wurde Schauplatz einer Vielfalt von Gottesdienstformen. Im Hofbräuhaus teilten Bischöfe das Brot zu einer Agapefeier aus, ähnlich wie es jüngst beim Zweiten Ökumenischen Kirchentag auf dem Odeonsplatz geschah. Auf dem Gelände des früheren Konzentrationslagers Dachau wurde die «Todesangst Christi»-Kapelle eingeweiht. Mit ihr begann die Gedenkstättenarbeit.

«Aus Masse wurde Gemeinschaft», resümierte der Bonner Theologieprofessor Joseph Ratzinger das Kongress-Erlebnis. Das Event verstärkte die Aufbruchsstimmung in der Kirche. Den Säkularisierungsprozess, der damals bereits eingesetzt hatte, konnte es aber ebenso wenig stoppen wie manche spätere Reform.

Die Zeiten haben sich geändert. 1960 verschoben die Wiesnwirte das Oktoberfest aus Anlass der Glaubenskundgebung noch bereitwillig um eine Woche nach hinten. Als Ratzinger, nunmehr Papst Benedikt XVI., im September 2006 nach München kam, war er es, der seinen Besuch vorverlegen musste, um dem Hochamt der Bierseligkeit auszuweichen.

Hinweis: Das Erzbischöfliche Archiv hat eine Ausstellung zum Eucharistischen Weltkongress 1960 zusammengestellt. Sie wird am 31. Juli von Erzbischof Reinhard Marx in der ehemaligen Karmeliterkirche eröffnet und kann bis 5. September täglich von 10 bis 18 Uhr besichtigt werden. Der Eintritt ist frei.