Kirchliche Stimmen zu US-Wahlergebnis

"Ein Albtraum wird wahr"

Das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl beschäftigt auch die kirchliche Welt. Die Reaktionen reichen von Ratlosigkeit über Sorge bis zur Furcht. Es gibt aber auch Stimmen, die der Wahl etwas Positives abgewinnen können.

Ein Clinton-Anhänger / © Andrew Gombert (dpa)
Ein Clinton-Anhänger / © Andrew Gombert ( dpa )

Der Bamberger Erzbischof und Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz Ludwig Schick ist überzeugt, dass Donald Trump manche seiner Wahlkampfpositionen überdenken werde, sagte er im Interview mit domradio.de. Manche Dinge müsse Präsident Trump in seiner Verantwortungsposition noch einmal überdenken, zum Beispiel die Fragen der Migration und der Entwicklung mit den Staaten Lateinamerikas. Erzbischof Schick ermutigt, mit dem Präsidenten Trump in Verhandlungen zu treten: "Man muss mit Trump die wichtigen Themen in Wahrheit und aller Klarheit diskutieren."

Aber auch zum gemeinsamen Gebet für den Präsidenten und Amerika ruft er auf, dass alles in eine gute Zukunft führe, und nimmt die katholischen Bischöfe Amerikas in die Pflicht, ihre Position klar zu machen. Vor allem gehe es darum, auch die christlichen Werte in die Politik einzubringen.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, äußerte die Hoffnung, dass "vieles nicht so heiß gegessen wie gekocht" werde. "So dumm, wie einige Sätze von Trump im Wahlkampf waren, kann dieser Mann eigentlich gar nicht sein", sagte er dem domradio.de im Interview. Er frage sich zudem, ob es in den vergangenen Wochen nicht "auch vielleicht ein Stück Dämonisierung" gegeben habe. Für künftige Debatten, etwa über den Umgang mit Muslimen, gelte es zu differenzieren.

Der Vatikan hat seine Hoffnung geäußert, dass sich Trump für Frieden weltweit einsetzen wird. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin gratulierte: "Zunächst nehmen wir mit Respekt den ausdrücklichen Willen des amerikanischen Volkes zur Kenntnis", sagte er. Angesichts verbreiteter Sorgen, Trump werde zu einer Verschärfung von Konflikten beitragen, betonte Parolin den Unterschied zwischen Wahlkampfäußerungen und der Übernahme von Regierungsverantwortung. In dieser Hinsicht habe der künftige US-Präsident sich bereits als Staatsmann geäußert, sagte der Kardinalstaatssekretär mit Blick auf Trumps versöhnliche Töne gegenüber der demokratischen Partei unmittelbar nach seinem Wahlsieg. Es erscheine ihm verfrüht, Urteile über Trump zu fällen. Man müsse abwarten, wie Trump als Präsident handele. Wichtig sei die Zusammenarbeit aller, um Zerrissenheit und Konflikte zu lösen.

Der Limburger Bischof Georg Bätzing warnte vor einer Abschottung gegenüber der Verantwortung internationalen Handelns. Gemeinsame Anstrengungen seien angesichts vieler Krisenherde erforderlich, erklärte er auf der Homepage des Bistums und bei Facebook. "Im Kontext der weltpolitischen Konstellation" mache ihn das US-Wahlergebnis "unruhig".

Der Theologe, Sozialethiker und USA-Experte Gregor Scherzinger sagte nach dem Wahlergebnis nur: "Der Albtraum vieler ist wahr geworden". Im Gegensatz zur Aufbruchstimmung nach Obamas Sieg vor acht Jahren breite sich heute "vielerorts eine Art Schockstarre aus".

Obama habe für ein "Amerika für alle" gestanden, bei Trump sei das fragwürdig. Er habe das Ruder herumgerissen "mit seinem teilweise ekelerregenden Wahlkampf, dominiert durch Tabubrüche, Skandale, Hassrhetorik und Verschwörungstheorien". Mit seinen Angriffen auf das politische System und Establishment habe er die große Unzufriedenheit im Land gegenüber der Politik wie auch das Glaubwürdigkeitsproblem einzelner Politiker ausnutzen können.

Trump habe in ungeahnter Weise das vor allem ländliche, weiße, christliche Amerika für sich gewonnen, das demografisch gesehen seine dominante Stellung schon verloren habe, so Scherzinger weiter. Die Anzahl nichtreligiöser Menschen steige auch in den USA, selbst die evangelikalen Kirchen könnten ihre Zahlen nicht mehr halten. Der mangelnde Zuwachs an jungen Gläubigen werde "allein dadurch gebremst, dass es mehr afro-amerikanische Gemeinschaften oder Hispanics gibt".

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, reagierte mit Fassungslosigkeit. "Denn die Aussagen von Donald Trump im Wahlkampf waren so spalterisch und so abwertend gegenüber anderen Menschengruppen, dass man Sorge haben muss, wenn Donald Trump jetzt diese politische Macht hat", sagte er.

Der bayerische Landesbischof forderte zugleich auf, in die Zukunft zu schauen. "Die Zeit des Spaltens ist jetzt vorbei", sagte er: "Wir müssen mithelfen, dass die klaren Grundorientierungen, für die wir als Christen stehen, in die öffentliche Debatte hineinkommen." Er hoffe, dass die von Trump im Wahlkampf angeschlagenen Töne nicht dieselben seien wie künftig als Präsident.

Nach Bedford-Strohms Auffassung kommt auf Deutschland und Europa künftig eine größere Verantwortung zu. In der Welt müsse stärker für die Schwachen eingestanden werden. Werte wie Nächstenliebe und Empathie müssten auch in die Politik hineinstrahlen. Er hoffe, dass "alles Schüren von Hass endlich ein Ende hat und auch die Politik in dieser Hinsicht zur Vernunft kommt".

Der Theologieprofessor verwies darauf, dass er auch familiär stark Anteil an der Wahl in den Vereinigten Staaten genommen habe. Er ist mit einer US-Amerikanerin verheiratet und hat in den Vereinigten Staaten studiert. Auch seine drei Söhne haben einen amerikanischen Pass.

Die evangelische Synodenpräses Irmgard Schwaetzer sieht Christen durch den Wahlsieg Donald Trumps herausgefordert. Christen trügen Werte wie Barmherzigkeit und Mitgefühl in die Gesellschaft, sagte Schwaetzer, die der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vorsteht, vor Beginn der abschließenden Beratungen der diesjährigen Tagung des Kirchenparlaments in Magdeburg. Erste Analysen des Wahlergebnisses hätten gezeigt, dass Trump vor allem Zustimmung von jenen bekommen habe, die sich in der amerikanischen Gesellschaft abgehängt fühlen.

Schwaetzer ging auch auf die Bedeutung des 9. November in der deutschen Geschichte ein. "1918, 1938, 1989 - das sind drei Jahrestage, die in größter Spannung zueinander stehen", sagte die ehemalige FDP-Bundesministerin. Am 9. November 1918 war nach dem Ende der Monarchie in Deutschland die Republik ausgerufen worden, 1938 hatten die Nationalsozialisten die Novemberpogrome gegen die Juden inszeniert, und 1989 fiel an diesem Tag die Mauer zwischen Ost- und Westdeutschland.

"Uns haben Mauern und Zäune dann nicht mehr getrennt", sagte Schwaetzer: "Und auch das bringt uns dazu, besonders sensibel zu sein, wo immer heutzutage Mauern und Zäune wieder gebaut werden." Der designierte US-Präsident Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, an der Grenze zu Mexiko eine Mauer errichten zu wollen, um Zuwanderer abzuhalten.

Auch der Kölner Weihbischof Ansgar Puff erinnert an die Pogromnacht am 9. November 1938. Spätestens seit diesem Tag, hätte jeder in Deutschland sehen können, dass Antisemitismus und Rassismus bis hin zum Mord staatsoffiziell geworden waren. Wenn er sich die Tagespolitik in verschiedenen Ländern anschaue, habe er große Sorge, dass die Menschen vergessen hätten, wohin es führt, "wenn man einen populistisch schwätzenden Machtmenschen durch demokratische Wahlen an die Macht bringt".

Die russisch-orthodoxe Kirche begrüßte Trumps Sieg. Er gebe "Hoffnung für eine Verbesserung des ganzen Systems der internationalen Beziehungen und der Bildung einer geschlossenen weltweiten Koalition gegen den Terrorismus", sagte der Außenamtschef des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion. Er verwies darauf, dass Trump die Nahostpolitik der USA und eine mangelnde Zusammenarbeit Washingtons mit Russland kritisiert habe. "Ich glaube nicht, dass wir in Euphorie über den Sieg des republikanischen Kandidaten verfallen sollten", so Hilarion. Ihn interessiere vor allem, wie sich die Wahl auf den Nahen Osten auswirken werde. Die bisherige US-Politik für Syrien und der Sturz des irakischen Präsidenten Saddam Hussein seien "kurzsichtig und falsch" gewesen. Amerika habe der Region keine Demokratie und keine Freiheit gebracht, sondern Chaos gestiftet.

Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, kündigte an, für Trump, die Menschen in den USA sowie für eine Versöhnung der Gesellschaft zu beten. Gott möge Trump "Weisheit und Einsicht" für die Bewältigung der anstehenden Aufgaben verleihen, schrieb der Anglikaner-Primas auf seinem Twitter-Account.


Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick / © Nicolas Armer (dpa)
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick / © Nicolas Armer ( dpa )

Thomas Sternberg / © Caroline Seidel (dpa)
Thomas Sternberg / © Caroline Seidel ( dpa )

Georg Bätzing, Bischof von Limburg / © Schnelle (Bistum Limburg)
Georg Bätzing, Bischof von Limburg / © Schnelle ( Bistum Limburg )

Pietro Parolin / © Ettore Ferrari  (dpa)
Pietro Parolin / © Ettore Ferrari ( dpa )

Heinrich Bedford-Strohm / © Daniel Karmann (dpa)
Heinrich Bedford-Strohm / © Daniel Karmann ( dpa )

Irmgard Schwaetzer / © Daniel Karmann (dpa)
Irmgard Schwaetzer / © Daniel Karmann ( dpa )

Weihbischof Ansgar Puff / © Katja Früh
Weihbischof Ansgar Puff / © Katja Früh
Quelle:
KNA , epd , DR