Kirchenrechtler zu Arbeitsrechts-Urteil

"Wiederheirat ist Loyalitätsverstoß"

Das Bundesverfassungsgericht hat die bisherigen Grundsätze des kirchlichen Arbeitsrechts bestätigt. Warum die Kirche von ihren katholischen Mitarbeitern mehr fordert, erklärt der Staatskirchenrechtler Wolfgang Rüfner.

Kirchliches Arbeitsrecht (dpa)
Kirchliches Arbeitsrecht / ( dpa )

domradio.de: Wie lautet denn die Begründung für das neue Urteil?

Rüfner: Die Begründung stützt sich im Grunde auf eine alte Entscheidung im siebzigsten Band der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts: Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht erlaubt den Kirchen Loyalitätsobliegenheiten für ihre Mitarbeiter selbst festzusetzen.

domradio.de: Warum ist der Zweite Senat zu einem anderen Urteil gekommen als das Bundesarbeitsgericht?

Rüfner: Das Bundesarbeitsgericht hat in einer etwas verschlungenen Argumentation gemeint, die Kirche habe in diesem Fall den Loyalitätsverstoß als nicht so erheblich angesehen. Sie habe nichtkatholische Chefärzte beschäftigt und nichtkatholische Chefärzte auch nach Scheidung und Wiederverheiratung beschäftigt. Zudem nehme sie ihre Grundsätze nicht so scharf, weil sie auch hingenommen habe, dass der Chefarzt - der Kläger in diesem Fall – nicht ehelich mit seiner späteren zweiten Ehefrau zusammen gelebt habe.

Das hat das Bundesverfassungsgericht klar gestellt. Es ist der Kirche unbenommen an ihre nichtkatholischen Mitarbeiter geringere Anforderungen zu stellen. Das ist sogar notwendig, sagt das Bundesverfassungsgericht. Und: Das Gewicht eines Loyalitätsverstoßes bestimmt die Kirche selbst. Das ist auch Inhalt der Entscheidung von 1984.

Die Kirche bestimmt das selbst und autonom innerhalb der Grundprinzipien unserer Rechtsordnung -  also mit der Grenze der Willkür, der Grenze der guten Sitten. Aber prinzipiell bestimmt das die Kirche selbst. Und sie kann und darf auch festlegen, dass die Eingehung einer neuen ungültigen Ehe erheblich schwerer wiegt als nur ein nichteheliches Zusammenleben.

domradio.de: Habe ich Sie richtig verstanden, dass die katholische Kirche hier strengere Anforderungen an den Chefarzt anlegt, weil er katholisch war?

Rüfner: Das ist richtig. Von nichtkatholischen Mitarbeitern fordert die Kirche weniger, das steht in der Grundordnung drin. Und das Bundesverfassungsgericht meint, dass sei auch genau richtig.

domradio.de: Das kirchliche Arbeitsrecht wird ja dadurch gestärkt. Was bedeutet das denn für Arbeitnehmer von kirchlichen Einrichtungen?

Rüfner: Das bedeutet, dass sie - soweit sie katholisch sind - sich an die Loyalitätsobliegenheiten, die für katholische Mitarbeiter gelten, zu halten haben.

domradio.de: Und was bedeutet dieses Urteil für den kirchlichen Arbeitgeber?

Rüfner: Für den kirchlichen Arbeitgeber bedeutet dies, dass die bisherigen Grundsätze für die Loyalitätsobliegenheiten bestätigt wurden  - und zwar im vollen Umfang.

domradio.de: Aber könnte das nicht auch negative Folgen für die Kirche haben? Immer weniger Christen entsprechen den Anforderungen ihres kirchlichen Arbeitgebers. Schon jetzt klagt die Caritas darüber, zu wenig Mitarbeiter zu finden. Klaffen da nicht Anspruch und Alltag vielleicht auseinander?

Rüfner: Das kann sein. Aber darauf zu reagieren ist nicht Sache des Staates, sondern Sache der Kirche.

Das Interview führte Heike Sicconi.

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Quelle:
DR