Kirchenneubauten gibt es nur noch selten

Moderne Räume für fromme Tradition

Abschied von einer Kirche - solche Meldungen gibt es zur Genüge. Mal wird ein ganzes Gebäude abgerissen, mal wird aus einem christlichen Sakralbau ein Supermarkt. Wenn in den vergangenen Jahren von neuen Gotteshäusern die Rede ist, geht es - ob in Köln, Mannheim oder Berlin - meist um Moscheen, gelegentlich auch um eine Synagoge. Um so mehr fällt es auf, wenn an diesem Sonntag bundesweit die Katholiken um Spenden für einen Kirchenneubau gebeten werden - in Deutschland.

Autor/in:
Christoph Strack
Neues Rathaus in Leipzig: Hier soll die neue Propsteikirche entstehen (KNA)
Neues Rathaus in Leipzig: Hier soll die neue Propsteikirche entstehen / ( KNA )

Im sächsischen Leipzig plant das Bistum Dresden-Meißen die Neuerrichtung der Propsteikirche. Das Projekt soll nichts weniger symbolisieren als die Rückkehr der katholischen Kirche in die Innenstadt der traditionsreichen Handelsmetropole. Von einem "großartigen Aufbruch in schwieriger Zeit" spricht Christoph Schorlemmer. Das Bauvorhaben habe Signalwirkung "weit über das Bistum Dresden-Meißen hinaus", meint der Sprecher des Bonifatiuswerks der deutschen Katholiken, das den voraussichtlich über zehn Millionen Euro teuren Neubau mit bis zu einer Million Euro unterstützt.

Der Enthusiasmus von Schorlemmer erklärt sich auch mit einem Blick auf die Zahlen. Vor 75, 80 Jahren förderte das Hilfswerk bis zu 40 Neubauten jährlich. Von 1998 bis 2008 waren es noch insgesamt acht Kirchen, die mit Hilfe des Bonifatiuswerkes in Deutschland neu erbaut wurden. Außer dem Projekt in Leipzig steht derzeit lediglich noch der Bau einer Kapelle in Binz auf der Ostseeinsel Rügen an.

Die Gesamtzahl neu erbauter oder in der Bauplanung befindlicher katholischer Kirchen erfasst selbst das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn nicht. Den letzten Boom gab es in den 1960-er und den frühen 1970-er Jahren. Großprojekte bleiben seither die Ausnahme. Dazu gehört etwa die 2002 eingeweihte Pfarrkirche Sankt Canisius in Berlin-Charlottenburg. Ein Großfeuer hatte sieben Jahre zuvor die große Gemeindekirche zerstört. Auch in München-Neuhausen sorgte ein Brandschaden für den international beachteten Neubau der Herz-Jesu-Kirche aus dem Jahr 2000.

Seitdem erhielten zwei wachsende Stadtteile der bayerischen Landeshauptstadt neue Gotteshäuser: Riem und, im vergangenen Oktober, Neuried. Vergleichbar prominent ist - im Erzbistum Freiburg
- der Bau der Kirche Maria Magdalena im neuen Stadtteil Rieselfeld.
Für Aufsehen sorgte auch die Bruder-Klaus-Kapelle, die der Schweizer Star-Architekt Peter Zumthor im Eifel-Flecken Wachendorf errichtete.
Eine radikal moderne Interpretation der bislang gängigen Normen steht hier im Vordergrund - anders als beim Wiederaufbau der evangelischen Frauenkirche in Dresden, dem wohl bedeutendsten kirchlichen Bauvorhaben der vergangenen Jahrzehnte.

Es sei, betont Paul Böhm, "eine ganz besondere Aufgabe, einen Raum zu planen, in dem Menschen ihren Glauben leben". Der Kölner Architekt kommt aus der bekanntesten deutschen Kirchbau-Dynastie der Moderne. Großvater Dominikus und Vater Gottfried schufen zahlreiche katholische Kirchen. Von Paul Böhm selbst stammt die Gemeindekirche Sankt Theodor in Köln-Vingst. Es sei beeindruckend, zu spüren, "wie innig Menschen mit solchen Räumen umgehen", sagt der Architekt. Als Fixpunkte und Vorbilder nennt der Fachmann die Wallfahrtskirche des großen Architekten Le Corbusier (1887-1965) im ostfranzösischen Ronchamp - oder auch Sankt Gertrud in Köln, ein Werk des Vaters aus der Mitte der 1960-er Jahre.

Kirchbauten sollen lange Bestand haben, im Idealfall werden sie für die Ewigkeit geplant. "Deshalb haben wir Architekten eine besondere Verantwortung dafür", sagt Böhm. Kaum ein anderes Bauvorhaben bringe eine vergleichbare Herausforderung mit sich. Kirchbauten, meint der 49-Jährige, seien aus diesem Grunde auch besonders geeignet, um den Geist einer Epoche widerzuspiegeln. Wenn Deutschlands Katholiken nun gemeinsam für einen Kirchenbau sammeln, so setzt das auch ein Zeichen im Dialog der Kirche mit der Moderne.