Kirchenmusiker erneut vor Bundesarbeitsgericht

Alle Register gezogen

Ein katholischer Kirchenmusiker will seine Kündigung wegen einer außerehelichen Beziehung nicht hinnehmen. Über 20 Jahre zog er arbeitsrechtlich zu Felde durch sämtliche Instanzen. Nun könnte der Fall sein Ende finden.

Insignien weltlicher Gerichtsbarkeit: Hammer, Justitia und Aktenstapel. / © Volker Hartmann (dpa)
Insignien weltlicher Gerichtsbarkeit: Hammer, Justitia und Aktenstapel. / © Volker Hartmann ( dpa )

Man darf gespannt sein, ob das nun das Finale eines schon über 20 Jahre dauernden Rechtsstreits zum kirchlichen Arbeitsrecht ist: An diesem Donnerstag befasst sich das Bundesarbeitsgericht in Erfurt erneut mit dem Fall eines katholischen Kirchenorganisten. Ihm wurde 1997 von seinem Arbeitgeber, einer katholischen Kirchengemeinde im Bistum Essen, aufgrund einer außerehelichen Beziehung gekündigt.

Ein klärendes Gespräch mit dem Arbeitgeber fand statt, doch als der Organist weiter bei seiner neuen Partnerin und dem gemeinsamen Kind blieb, bestand die Pfarrei auf der Kündigung. Der Kirchenmusiker zog daraufhin zunächst mit einer Kündigungsschutzklage durch alle Instanzen.

"Persönliche sittliche Verfehlung"

Nachdem das Arbeitsgericht Essen und das Landesarbeitsgericht Düsseldorf der Klage stattgegeben hatten, hob das Bundesarbeitsgericht das Urteil der Düsseldorfer Richter auf. Nach erneuter Verhandlung wies das Landesarbeitsgericht schließlich im Jahr 2000 die Klage rechtskräftig ab. Die Begründung: Die neue Beziehung sei eine "persönliche sittliche Verfehlung" im Sinne der "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse". Der Organist und Chorleiter habe eine große Nähe zum Verkündigungsauftrag der katholischen Kirche und falle deshalb unter die besonderen Anforderungen der Kirche zum Lebenswandel ihrer Mitarbeiter.

Erfolglos erhob der Musiker Verfassungsbeschwerde dagegen, dass das Bundesarbeitsgericht keine weitere Verhandlung zulässt. Er wandte sich daraufhin an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg - mit einer Individualbeschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland. Und hatte Erfolg: 2010 urteilte der EGMR, dass die deutsche Justiz nicht ausreichend geprüft habe, ob der Betroffene so eng mit dem Verkündigungsauftrag der Kirche verbunden gewesen sei, dass eine Entlassung zwangsläufig sein musste. Überdies sprachen die Straßburger Richter dem Organisten 2012 eine Entschädigung von 40.000 Euro zu.

Kirchenmusiker scheiterte mit Restitutionsklage

Doch für die deutschen Gerichte war der Fall abgeschlossen: Der Musiker scheiterte mit einer Restitutionsklage nach nationalem Recht. Das Bundesarbeitsgericht verwarf sie aus formalen Gründen. Denn: Das Gesetz sieht ein Wiederaufnahmeverfahren nach einem Erfolg vor dem EGMR zwar inzwischen vor, allerdings nur für Fälle, die ab dem 1. Januar 2007 rechtskräftig abgeschlossen wurden. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte die Erfurter Entscheidung im Jahr 2016.

Damit schienen alle Register gezogen. Doch der Organist fand noch eines: Nun verklagte er die Pfarrei und das Bistum Essen auf Schadensersatz. Er forderte rund 275.000 Euro von der Kirche für entgangene Vergütung sowie einen Ausgleich der entgangenen Rentenansprüche. War er doch seit 1983 bei der Pfarrgemeinde zunächst mit einem Beschäftigungsumfang von 80 Prozent und ab 1985 zusätzlich als Dekanatskantor in einem Umfang von 100 Prozent tätig.

Mangelnde Beweislage

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf wies die Klage im September 2018 ab. Zur Begründung führten die Richter aus, dass die deutschen Gerichte in den vorangegangenen Verfahren abschließend festgestellt und entschieden hätten, dass die Kündigung seinerzeit rechtens gewesen sei. In dem neuen Verfahren habe der Kläger nicht belegen können, dass die Kirche bei seiner Kündigung das kirchliche Arbeitsrecht bewusst zu seinem Nachteil ausgelegt habe. Den Nachweis einer "vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung" durch Pfarrei und Bistum, welche die vorangegangenen Urteile durchbrechen könnte, hat der Organist laut Gericht nicht geführt.

Der Kirchenmusiker, der seit September 2002 eine 50-Prozent-Stelle bei einer evangelischen Kirchengemeinde hat, akzeptierte auch dieses Urteil nicht. Und so landete sein Fall jetzt erneut als Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht. Ob dies der Schlussakkord ist, bleibt abzuwarten. Gäbe Erfurt dem Kläger diesmal recht und verwiese das Verfahren zurück an das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, wäre eine weitere Schleife zu drehen.


Quelle:
KNA