Kirchengemeinde feiert Freilassung Steudtners

"Ein ermutigendes Beispiel für Widerstand und Beistand"

Nach der Freilassung des Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner haben sich in der Berliner Gethsemanekirche rund Hundert Menschen zu einer Fürbittandacht versammelt. Die evangelische Kirchengemeinde, zu der Steudtner gehört, hatte dazu eingeladen. 

Peter Steudtner kurz nach seiner Freilassung / © Emrah Gurel (dpa)
Peter Steudtner kurz nach seiner Freilassung / © Emrah Gurel ( dpa )

Pfarrerin Jasmin El-Manhy zeigte sich erleichtert über die Freilassung Steudtners und seiner Mitgefangenen. El-Manhy dankte für die monatelange Solidarität und Unterstützung der Familien der Inhaftierten: "Heute überwiegt die Freude, Gott sei Dank." 

Auf die Frage an die Gemeinde, wie sie sich fühle, begannen die Menschen zu klatschen und "super" zu rufen. Zugleich erinnerte die Pfarrerin daran, dass weitere Menschenrechtsaktivisten und Journalisten in der Türkei inhaftiert sind.

Dank für Beharrlichkeit

Die Berliner Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein dankte der Gemeinde für ihre Beharrlichkeit. In der Kirche im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg fanden seit dem 21. Juli regelmäßig abends Fürbittgebete für Steudtner und seine Mitgefangenen statt. Die täglichen Gebete seien "ein ermutigendes Beispiel für Widerstand und Beistand, den Christen in solchen Situationen leisten können", sagte Trautwein. Auch künftig soll die Kirche täglich für Gebete um 18 Uhr geöffnet werden, hieß es auf der Homepage der Kirchengemeinde.

Mehr als 100 Tage Untersuchungshaft

Steudtner und weitere Menschenrechtsaktivisten, darunter auch führende Repräsentanten von Amnesty International in der Türkei, waren mehr als 100 Tage in türkischer Untersuchungshaft. Sie kamen nach einer Istanbuler Gerichtsentscheidung vom Mittwochabend frei, nur der mitangeklagte Vorstandssprecher der türkischen Amnesty-Sektion, Taner Kilic, bleibt in Haft. Über den aktuellen Aufenthalt Steudtners machte die Kirchengemeinde keine Angaben. Er und seine Familie werden von der Öffentlichkeit abgeschirmt.

Steudtner und andere Aktivisten waren im Juli dieses Jahres während eines Menschenrechts-Seminars in der Nähe von Istanbul festgenommen worden. Ihnen wird unter anderem die Unterstützung von Terrororganisationen vorgeworfen. Der Prozess soll in Steudtners Abwesenheit fortgesetzt werden.

Familie hat Vorrang

Steudtner wurde nach seiner Ankunft in Berlin auf einem nicht-öffentlichen Weg aus dem Flughafen gebracht und äußerte sich nicht. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte zuvor mitgeteilt, Steudtner wolle in der Stadt ohne "Teilnahme von Politik und Öffentlichkeit" ankommen.

Am Donnerstag war bekannt geworden, dass Altkanzler Gerhard Schröder bei der Freilassung Steudtners eine zentrale Rolle gespielt hatte. Ein Geheimtreffen Schröders mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan im September soll einen Durchbruch gebracht haben. Die Idee für die Vermittlungsmission hatte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), von Merkel wurde sie mitgetragen. 

"Nicht mehr als ein gutes Signal"

SPD-Chef Martin Schulz hat die türkische Regierung nach Steudtners Freilassung aufgefordert, ihre Politik grundlegend zu ändern. "Die türkische Regierung darf Rechtsstaatlichkeit und internationale Kooperationen nicht weiter infrage stellen", sagte Schulz den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). Dass Steudtner nun wieder auf freiem Fuß ist, sei ein gutes Signal, "mehr aber auch nicht", fügte der Parteivorsitzende hinzu.

Schulz bezeichnete die Freilassung des Deutschen als "Selbstverständlichkeit". Steudtner habe unschuldig in Haft gesessen. "Die Konsequenz sollte nun sein, dass die türkische Justiz das ganze Verfahren einstellt."

 

 


Gläubige in der Gethsemanekirche / © Paul Zinken (dpa)
Gläubige in der Gethsemanekirche / © Paul Zinken ( dpa )
Quelle:
epd , dpa