Kirchen warnen vor «integrationspolitischem Ping-Pong»

Interkulturelle Woche

Mehr Bereitschaft zur Integration haben die Kirchen zum Auftakt der «Interkulturellen Woche» in Deutschland angemahnt. Beim ökumenischen Eröffnungsgottesdienst in Essen warnte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck vor einem «integrationspolitischen Ping-Pong», bei dem die einen auf Versäumnisse der Zuwanderer und die anderen auf die der Politik hinwiesen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der rheinische Präses Nikolaus Schneider, sagte, man könne nicht nur von Migranten Anstrengungen einfordern. Integration sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

 (DR)

Die diesjährige "Interkulturelle Woche" steht unter dem Motto "Zusammenhalten - Zukunft gewinnen". Bis 2. Oktober finden bundesweit rund 3.500 Veranstaltungen in 300 Städten und Gemeinden statt, die Vorurteile gegenüber Ausländern abbauen helfen sollen. Wegen des Kulturhauptstadtjahres Ruhr.2010 wurde Essen für den bundesweiten Auftakt gewählt.



Overbeck distanzierte sich in seiner Predigt von Bundesbankvorstand Thilo Sarazzin, ohne ihn beim Namen zu nennen. Das christliche Menschenbild widerspreche allen Theorien, die unversöhnliche Gegensätze zwischen Kulturen konstruierten. "Es widerspricht jeder Einteilung der Menschheit in Gruppen oder Rassen, die einen unterschiedlichen Wert besitzen, unterschiedlich fleißig, intelligent, volkswirtschaftlich gewinnbringend, friedlich oder was auch immer sein sollen." Solche Ansätze seien "ein gefährlicher Missbrauch von Statistiken und Tabellen".



Eingliederung scheitere oft nicht am mangelnden Willen der Zuwanderer, sagte Overbeck und verwies auf die Integrationskurse. In vielen Fällen fehlten Plätze. Frauen besuchten die Kurse nicht, weil es zum großen Teil keine Kinderbetreuung gebe.



Nach den Worten des Ruhrbischofs ist die Integration in Deutschland aber besser als ihr Ruf. Integrationskurse, Sprachförderung vor der Einschulung, Nationaler Integrationsplan und Deutsche Islamkonferenz stünden für eine politische Gestaltung der Zuwanderung, die nicht zuletzt Kirchen und Wohlfahrtsverbände angemahnt hätten.



Das zentrale Integrationsproblem in Deutschland liegt laut Overbeck im Bereich der Bildung. In keinem EU-Land entscheide das Herkunftsmilieu so stark über den Werdegang von Kinder. Bessere oder schlechtere Zukunftsperspektiven würden aber "nicht genetisch, sondern sozial vererbt".



Schneider forderte bei der Eröffnung des Gottesdienstes eine Bleiberecht für langjährig geduldete Ausländer. "Es ist unerträglich, wenn Menschen aufgrund von Kettenduldungen alle drei Monate wieder neu vor der Existenzfrage stehen", so der Ratsvorsitzende. Besonders gut integrierte Menschen und in der Bundesrepublik aufgewachsene Kinder und Jugendliche bräuchten eine dauerhafte Perspektive.



Nach der Gottesdienstfeier, an der auch der griechisch-orthodoxe Metropolit von Deutschland, Augoustinos, teilnahm, wurde die Skulptur "Engel der Kulturen" vor dem Essener Aalto Theater aufgebaut. Bei dem Kunstwerk handelt es sich um ein Rad aus Stahl, das mit Kreuz, Davidstern und Halbmond versehen ist. Der Umriss des Rad-Innenraums ergibt die Figur eines Engels, der in allen drei Religionen als Bote zwischen Gott und Menschen gilt. Das Rad dient als Schablone, mit der - wie auch in Essen geschehen - eine Sandintarsie gelegt werden kann.



Die "Interkulturelle Woche", die auch als Woche der ausländischen Mitbürger bezeichnet wird, ist eine Initiative der Deutschen Bischofskonferenz, der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie. Sie wird mitgetragen von Kommunen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden sowie von Ausländerbeiräten und -beauftragten. Die Ausländerwoche geht zurück auf den erstmals

1975 ausgerufenen "Tag des ausländischen Mitbürgers".