Kirchen und Kommunen fordern Erhaltung der Heroinambulanzen

Tradition verpflichtet - CDU/CSU will Hilfe für Schwerstabhängige einstellen

In die Diskussion um die staatliche Heroinvergabe hat sich die evangelische Kirche eingeschaltet. In einem Brief forderte sie unter anderem die drogenpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Maria Eichhorn (CSU), auf, die Heroinambulanzen fortzusetzen. Man solle die Menschenwürde aller Opiatabhängigen beachten, heißt es in dem Schreiben. Trotz durchweg positiver Ergebnisse soll das 2002 initiierte "Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger" endgültig auslaufen. Das fordert die Unionsfraktion im Bundestag. Bayerns CSU hat schon neue repressive Maßnahmen gegen Süchtige beschlossen. Im domradio erläutert Wolfgang Scheiblich von der Drogen- und Aidshilfe beim Sozialdienst Katholischer Männer Köln, warum Hilfe statt Repression allen Beteiligten hilft.

 (DR)

Das drohende Aus für ein Pilotprojekt zur kontrollierten Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige stößt auch auf massiven Widerstand der beteiligten sieben Städte, darunter Köln und Bonn. Deren Vertreter sprachen sich am Mittwoch bei einem Treffen in Frankfurt am Main dafür aus, "diese erwiesenermaßen wirksame Behandlungsform für Schwerstabhängige" aufrecht zu erhalten. Ein Ende der Therapieform mit dem Präparat Diamorphin zum 30. Juni dieses Jahres, das sich abzeichnet, ist aus Sicht der sieben Städte auch aus gesundheits- und gesellschaftspolitischen Gründen "nicht akzeptabel". Die Erfahrungen mit dem bisher modellhaft laufenden Projekt hätten zum Beispiel eine sinkende Beschaffungskriminalität ergeben.

Appell an den Bundestag
Zu dem an dem Drogen-Pilotprojekt beteiligten Städte gehören neben Köln und Bonn Hamburg, Hannover, Frankfurt am Main, Karlsruhe und München.
Die kommunalen Vertreter appellierten gemeinsam mit der ebenfalls anwesenden Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), an den Bundestag, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine Fortführung des 2002 gestarteten Modellprojektes zu schaffen. Kritik wurde vor allem an der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion laut, in deren Reihen es den stärksten Widerstand gegen das Konzept gibt.


Koalition der Vernunft und Menschlichkeit
Bätzing mahnte eine "große Koalition der Vernunft und Menschlichkeit" in dieser Frage an. Um das Projekt über die Modellphase hinaus zu erhalten, müsste der Bundestag einem in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeiteten Vorschlag zur regulären Vergabe von Diamorphin zustimmen und die Bundesregierung bis zu einer gesetzlichen Regelung den Städten die weitere kontrollierte Vergabe ermöglichen.
Auch der Leiter des bundesweiten Projekts, Christian Haasen, warnt vor schwerwiegenden Konsequenzen eines Projektendes. "Die Süchtigen würden dann in ihre alten Muster zurückfallen, was massive gesundheitliche Verschlechterungen und im schlimmsten Fall Lebensgefahr bedeuten kann", sagte der Mediziner des Hamburger Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung. Das Projekt mache sich langfristig auch für Krankenkassen und Kommunen bezahlt. "Durch die kostenlose und saubere Heroinabgabe werden Krankheiten wie HIV oder Hepatitis verhindert und die Beschaffungskriminalität verringert." Zudem seien Diamorphin-Patienten gesünder, therapiefähiger und weniger straffällig gewesen, als Methadon-Patienten.

Heroingestützte Behandlung: Eine Erfolgsgeschichte
Der Abschlussbericht des deutschen Modellprojekts zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger wurde 2006 veröffentlicht. Die Studie wurde vom Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg durchgeführt. Sie kommt zu positiven Ergebnissen und fordert eine Weiterführung des Projektes. Zitat aus der Zusammenfassung des Abschlussberichts: "Das bundesdeutsche Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger ist die bisher größte randomisierte Kontrollgruppenstudie, die die Effekte der Heroinbehandlung untersucht. Allein dies verleiht den Ergebnissen in der mittlerweile weit verbreiteten Diskussion über Wirkungen und Nutzen der Heroinbehandlung eine besondere Bedeutung. Für die Gruppe der so genannten Schwerstabhängigen erweist sich die Heroinbehandlung hinsichtlich der mit medikamentösen Erhaltungstherapien verbundenen Zielsetzungen der Methadonsubstitution als überlegen. Dieses Studienergebnis sollte nicht folgenlos bleiben. Im Einklang mit den aus anderen Ländern vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen muss jetzt geprüft werden, in wieweit die heroingestützte Behandlung in das Regelangebot für schwer kranke, intravenös Opiatabhängige integriert werden kann."

Bayerns Regierung beschließt Grundsätze der Anti-Drogen-Politik
Neue Grundsätze für die Drogen- und Suchtpolitik in Bayern hat die Staatsregierung am Dienstag in München beschlossen. Danach sollen kriminelle Handlungen mit illegalen Suchtmitteln konsequent verfolgt und bestraft werden. So genannte Fixerstuben sowie eine offizielle Abgabe von Heroin an Suchtkranke lehnt die bayerische CSU-Landesregierung ab. Die Suchtprävention solle demnach ausgeweitet werden. In die Suchthilfe fließen in diesem Jahr den Angaben zufolge rund 5,8 Millionen Euro aus dem bayerischen Staatshaushalt.

Der Staat dürfe sich nicht zum Dealer machen, erklärte Gesundheitsminister Werner Schnappauf (CSU) und forderte zudem, die bestehenden Gesetze gegen Drogenhändler zu verschärfen. Das Nein zu öffentlichen Drogenkonsumräumen begründete er damit, "Fixerstuben nähmen unter dem Deckmantel der Überlebenshilfe Suchtkranken jeglichen Anreiz für ein suchtfreies Leben." Gegen Drogenkonsum helfe keine Verharmlosung, sondern nur umfassende Prävention, konsequente Strafverfolgung und professionelle Therapie. Die neuen Grundsätze für die Anti-Drogenpolitik sollen nun mit den Verbänden abgestimmt werden.