Kirchen und Klinik verurteilen Polizeigewalt gegen Trauerzug

"Nicht durch Sicherheitsargument zu rechtfertigen"

Der Protest gegen israelische Polizeigewalt gegenüber dem Trauerzug für eine getötete palästinensisch-amerikanische Journalistin am Freitag hält an. Jetzt traten auch Vertreter von Kirchen und der Klinik vor die Medien.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Männer tragen den Sarg der Journalistin Schireen Abu Akleh bei ihrer Beerdigung am 13. Mai 2022 in Jerusalem / © Andrea Krogmann (KNA)
Männer tragen den Sarg der Journalistin Schireen Abu Akleh bei ihrer Beerdigung am 13. Mai 2022 in Jerusalem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Vertreter der Kirchen Jerusalems, des Vatikan sowie des katholischen Sankt-Josef-Krankenhauses haben das Vorgehen der israelischen Polizei gegen den Trauerzug für die getötete Al-Jazeera-Journalistin Schireen Abu Akleh verurteilt. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in dem Ostjerusalemer Krankenhaus warfen sie den Beamten unverhältnismäßige Gewaltanwendung und schwere Verstöße gegen internationale Normen vor.

"Die Polizei stürmte in ein christliches Gesundheitsinstitut, missachtete die Kirche, das Gesundheitsinstitut und das Andenken an die Verstorbene und zwang die Sargträger fast, den Sarg fallen zu lassen", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Kirchenführer.

Kritik des Krankenhausdirektors

Das gewaltsame Eindringen der Polizei sowie der Einsatz von Schlagstöcken, Gummigeschossen und Rauchgranaten gegen die Menge habe nicht nur die Schwestern vom heiligen Josef von der Erscheinung als Trägerinnen des Krankenhauses sowie das gesamte Klinikpersonal zutiefst verletzt, "sondern auch alle Menschen, die an diesem Ort Frieden und Gastfreundschaft gefunden haben und immer noch finden".

Krankenhaus-Generaldirektor Jamil Koussa beschrieb die polizeilichen Übergriffe als "schreckliche Szene (...) ohne Rücksicht auf die Heiligkeit des Ortes und des Anlasses". Augenzeugen-Videos sowie Aufnahmen der Sicherheitskameras der Klinik zeigten ein massives Vorgehen der israelischen Einsatzkräfte. Das Krankenhaus erwägt laut Koussa rechtliche Schritte. Nach Angaben des Generaldirektors mussten 13 Personen mit Verletzungen durch Gummigeschosse und Rauchbomben behandelt werden.

Polizei als Gewaltverursacher?

Die Aufnahmen zeigten, dass es zu keiner Zeit Anzeichen für Gewalt der Trauernden gegeben habe, so Koussa. Vielmehr sei die Polizei Verursacher der Gewalt gewesen, die sich gegen den Sarg und die Sargträger gerichtet habe. Dabei hätten die Soldaten auch auf Patienten gezielt, darunter eine hochschwangere Frau und ihren Mann.

Der Berater des Nuntius, Tomasz Grysa, sicherte den Kirchen volle Unterstützung des Vatikan zu. Er verwies auf das vatikanisch-israelische Grundlagenabkommen von 1993, das durch das israelische Vorgehen doppelt verletzt worden sei und forderte eine Untersuchung der Vorgänge. So habe die Polizei mit ihrem ungerechtfertigten und brutalen Vorgehen die in Artikel 1 des Abkommens zugesicherte Religionsfreiheit sowie die in Artikel 9 festgeschriebene Handlungsfreiheit der Kirche in ihren karitativen Einrichtungen, zu denen auch das Krankenhaus gehöre, massiv verletzt. In einem auf Gesetzen basierenden Staat müsse "die Kraft des Rechts Vorrang haben vor einem Recht der Gewalt".

Verurteilung des französischen Konsulats

Auch der Berater des französischen Konsulats in Religionsangelegenheiten, Luc Payredt, verurteilte die Polizeigewalt.

Das Konsulat habe die israelischen Behörden am Tag vor der Beerdigung in einer unbeantworteten Anfrage um größtmögliche Zurückhaltung und Respekt für einen würdevollen Trauerzug gebeten. Als positiv hob der Jesuit hervor, dass es am Freitagmorgen Zeichen guter Zusammenarbeit zwischen jungen Muslimen und jungen Christen gegeben habe, die gemeinsam gebetet hätten. Dies sei "ein Zeichen, dass das Krankenhaus weiterhin ein neutraler Ort sein muss". Die Klinik steht aufgrund der französischen Trägerkongregation unter französischem Schutz.

Erzbischof von Jerusalem kritisiert Argumente

Er habe die Vorfälle "mit großer Trauer und mit großem Unverständnis" erlebt, sagte der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Beerdigungen als "der letzte wichtige Moment im Leben einer Person" seien wesentlicher Bestandteil der von den Kirchen geforderten Religionsfreiheit. Sicherheitsargumente könnten das Geschehene nicht rechtfertigen.

Diskussion über palästinensische Fahnen

Auslöser der Polizeigewalt waren unter anderem mitgeführte palästinensische Fahnen - obwohl im September ein Jerusalemer Gericht geurteilt hatte, dass das Hissen solcher Flaggen keinen Straftatbestand darstellt. Die Frage nach den Fahnen müsse von den Palästinensern geäußert werden, sagte Pizzaballa der KNA, da es nicht Aufgabe der Kirchen sei, "über israelische oder palästinensische Fahnen zu sprechen. Aber natürlich stimmen wir vollkommen zu und fragen uns, warum es Palästinensern nicht möglich ist, ihre eigenen Fahnen mitzuführen."

Laut Medienberichten haben mehr als 10.000 Palästinenser an dem Trauerzug für die palästinensisch-amerikanische Christin (51) teilgenommen. Schireen Abu Akleh war am Mittwoch bei der Berichterstattung über eine israelische Razzia in der palästinensischen Stadt Dschenin im besetzten Westjordanland getötet worden.

Quelle:
KNA