Kirchen kritisieren Aufnahme der Religionszugehörigkeit

Anti-Terror-Datei: Mehr Staat für mehr Sicherheit

Nach jahrelangem Streit haben sich die Innenminister von Bund und Ländern auf die Einrichtung einer gemeinsamen Anti-Terror-Datei von Geheimdiensten und Polizei verständigt. Das gab der bayerische Innenminister Beckstein am Montag nach einer Sonderkonferenz in Berlin bekannt. Die Datei war im Vorfeld heftig umstritten.

 (DR)

Nach jahrelangem Streit haben sich die Innenminister von Bund und Ländern auf die Einrichtung einer gemeinsamen Anti-Terror-Datei von Geheimdiensten und Polizei verständigt. Das gab der bayerische Innenminister Beckstein am Montag nach einer Sonderkonferenz in Berlin bekannt. Die Datei war im Vorfeld heftig umstritten. Der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Prälat Karl Jüsten, steht dem Beschluss der Länder skeptisch gegenüber: "Der Islam gerät so unter Generalverdacht." Auch die evangelische Kirche äußert Kritik.

Nach dem Beschluss sei abzuwarten, wie der Staat eine verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage formulieren wolle, ohne eine einzelne Religion pauschal unter Verdacht zu stellen, so Jüsten. Es sei richtig und habe sich bewährt, wenn Personenstandsregister des Staates nach der Religionszugehörigkeit fragten. Das sei legitim, betonte der Prälat. Im Kontext der Anti-Terror-Datei sehe er aber erhebliche Probleme, weil damit allein die Religionszugehörigkeit zum Generalverdacht führe. Das müsse nicht nur für den Islam gelten. Jüsten forderte, der Staat solle, falls Verdachtsmomente gegen bestimmte religiöse Vereinigungen bestünden, diesen nachgehen und gegebenenfalls die notwendigen rechtsstaatlichen Konsequenzen ziehen.

Auch der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber hat Kritik an der geplanten Speicherung der Religionszugehörigkeit in einer Anti-Terror-Datei geäußert. «Wir dürfen gerade im schwierigen Integrationsprozess unsere muslimische Mitbürger nicht unter Generalverdacht stellen», sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) der «Leipziger Volkszeitung» (Donnerstagsausgabe). Allein das Bekenntnis zum Islam begründe noch keinen Verdacht, dass ein Gläubiger gegen andere Menschen Gewalt ausüben wolle, so Huber.


Kritik auch von Datenschützern
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht mit Skepsis die geplante Aufnahme der Religionszugehörigkeit in die künftige Anti-Terror-Datei. Dieser Schritt sei nicht zielführend und helfe den Sicherheitsbehörden nicht, sagte Schaar der "Berliner Zeitung" (Mittwoch). Wichtig sei die Einordnung als Islamist, nicht aber als Muslim.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, hält die Aufnahme des Merkmals Religion in die geplante Datei für verfassungswidrig.

Die Pressesprecherin der Landesbeauftragten für Datenschutz in NRW, Bettina Gayk, kritisierte im domradio-Interview die Pläne, die Religionszugehörigkeit bei Islamisten in die Datei aufzunehmen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Schaar zweifelt eine verfassungsrechtlich einwandfreie Lösung an. Etliche Bereiche seien stark auslegungsbedürftig. Wie Schaar in einem Interview sagte, ist unklar, welche Personen als Terrorverdächtige eingestuft würden und was unter Kontaktpersonen zu verstehen sei.

Datei besteht aus zwei Teilen
Die Datei soll sich nach den Worten des bayrischen Innenministers Günther Beckstein aus zwei Teilen zusammensetzen. In dem engeren Datenbestand solle lediglich die Identität von Terrorverdächtigen gespeichert werden. Ein zweiter Teil soll zusätzliche Angaben wie etwa Auslandsreisen, Waffenbesitz oder die Religionszugehörigkeit enthalten.

"Ein solcher Hinweis käme einer Kriminalisierung von Muslimen gleich. Wo kämen wir hin, würde Religionszugeörigkeit in Deutschland erneut zu einem Stigma", kritisiert Gayk im domradio-Interview.

Zentralrat der Muslime begrüßt Einigung auf Anti-Terror-Datei
Während sich die katholische Kirche kritisch äußerte, hat der Zentralrat der Muslime die Einigung auf eine gemeinsame Anti-Terror-Datei begrüßt. Der Rat unterstütze alles, was zur Sicherheit für Bürger und Muslime beitrage, sagte Sprecher Mounir Azzaoui der "Berliner Zeitung" (Dienstag). Zugleich bezweifelte er jedoch, dass die Speicherung der Religionszugehörigkeit für die Terrorbekämpfung effektiv sei. Auch die Rasterfahndung habe nichts gebracht. Abzuwarten bleibe zudem, wie groß der Kreis der Gespeicherten werde, meinte Azzaoui.
(KNA,rv)