Kirchen fordern Abzugsplan - Hilfswerke sehen neue Bedrohung

Einsatz am Scheideweg?

Nach dem umstrittenen NATO-Luftangriff auf zwei gekaperte Tanklastwagen in der afghanischen Region Kundus werden die Forderungen nach konkreten Planungen für einen Rückzug der deutschen Soldaten lauter. Die Deutsche Welthungerhilfe befürchtet eine Verschärfung der Situation für die Hilfsorganisationen in Afghanistan.

 (DR)

Die katholische Friedenbewegung Pax Christi hat nach dem umstrittenen Luftangriff in Afghanistan den Abzug der Bundeswehr aus der Region gefordert. Unabdingbar sei eine Bilanzierung des Engagements des Bundeswehr-Einsatzes, sagte Pax-Christi-Generalsekretärin Christine Hoffmann am Montag in Berlin. Ein friedlicher Einsatz zum Schutz der Bevölkerung sei offenbar nicht möglich. Zugleich begrüßte sie den Vorschlag von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), die internationalen Truppen bis 2015 aus Afghanistan abzuziehen. Es sei unverantwortlich, wenn sich die Bundesregierung länger um das Thema Abzug «herumdrücke», so Hoffmann.

Militärbischof: "Keine schwammigen Forderungen"
Der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann drängt erneut zu konkreten Planungen für einen Rückzug der deutschen Soldaten. «Die neuen Ereignisse zeigen einmal mehr die Dringlichkeit, dass Ziele verbunden mit einem Ausstiegsszenario präzise formuliert werden müssen», sagte Dutzmann am Montag in Detmold dem epd. Das tiefe Mitgefühl gelte den Opfern, unter denen auch Zivilisten sind, und den deutschen Soldaten am Kundus, «die die Geschehnisse vor Ort verarbeiten müssen», erklärte der Militärbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Zugleich kritisierte er Bundespolitiker, die Jahreszahlen für einen Truppenabzug aus Afghanistan nennen, «ohne eine sachliche Begründung für das jeweilige Datum zu liefern». Solch «schwammige Forderungen» würden einer sachlichen Diskussion im Wege stehen. Die Bundesregierung müsse klare Etappenziele vorgeben, forderte Dutzmann.

Die momentane Lage in Afghanistan könne und wolle er nicht beurteilen, sagte Dutzmann weiter. «Die Stimmen sind noch zu widersprüchlich, was genau geschehen ist.» Bei einem Besuch der deutschen Soldaten im Mai hab er den befehlhabenden Oberst vor Ort kennengelernt. «Ich habe Oberst Klein als einen besonnenen und verantwortungsvollen Mann erlebt», sagte der Militärbischof.

Hilfsorganisationen befürchten Anschläge
Der Landesdirektor der Welthungerhilfe in Afghanistan, Rudolf Strasser, sagte dem «Hamburger Abendblatt» (Montagausgabe), er befürchte, die Hilfsorganisationen in Afghanistan könnten selbst das Ziel von Angriffen der radikalislamischen Taliban werden. Er betonte: «Es gibt Warnungen vor Entführungen. Deshalb versuchen wir so gut es geht, mit unserer Arbeit nicht besonders aufzufallen.»

«Schon zur Präsidentschaftswahl haben wir die auffälligsten Aktivitäten etwas zurückgefahren», sagte Strasser weiter. «Was bei der afghanischen Bevölkerung ankommt, ist dies: Die Isaf hat unsere Landsleute getötet - ganz gleich welcher Nationalität die eingesetzten Soldaten waren», erklärte er. Die Afghanen würden die Aktionen der ausländischen Soldaten und die Arbeit der Hilfsorganisationen «in einen Topf werfen».