Kirche will in Erfurt missionarische Seelsorge entwickeln

"Spannendes Umfeld"

Die christlich geprägte "Feier der Lebenswende" als Alternative zur atheistischen "Jugendweihe" ist nur das bekannteste Beispiel: Neue Seelsorgemodelle sind fast schon ein Markenzeichen des katholischen Bistums Erfurt. Nun zollt die Deutsche Bischofskonferenz ihnen mit der Einrichtung einer Arbeitsstelle besondere Anerkennung.

Autor/in:
Gregor Krumpholz
 (DR)

Am Freitag eröffnet sie im Priesterseminar der thüringischen Landeshauptstadt ihre neue «Katholische Arbeitsstelle für missionarische Pastoral». Es ist ihre erste Einrichtung in den neuen Bundesländern. Im «spannenden Umfeld» der katholischen Minderheit soll die Arbeitsstelle «neue kreative Konzepte entwickeln», wie die Bischofskonferenz erklärte. Zudem soll sie sich mit Sekten, Weltanschauungsfragen und neureligiösen Bewegungen befassen sowie die Internetseelsorge koordinieren.

Die innovativen pastoralen Ansätze des Bistums Erfurt können die Experten der Bischofskonferenz gleich vor Ort in Augenschein nehmen.
Seit über 20 Jahren versuchen Bischof Joachim Wanke und seine Mitarbeiter, die Kirchenschwellen für fernstehende Christen, aber auch für konfessionslose Menschen niedriger zu machen. Noch zu DDR-Zeiten begann es mit dem «Mitternächtlichen Weihnachtslob», einer besonderen Christmette für kirchenferne Teilnehmer.

Weit über Erfurt hinaus bekannt sind auch die «Feiern der Lebenswende» in der Bischofskirche, die der damalige Dompfarrer und heutige Erfurter Weihbischof Reinhard Hauke konzipierte. Die 14-jährigen konfessionslosen Teilnehmer bereiten sich mehrere Monate auf das Familienfest vor und gestalten die Feiern weitgehend mit.
Geprägt sind sie durch religiöse Texte und Lieder sowie einen Segensspruch. Auch andere Bistümer griffen das Modell auf.

Hauke machte auch mit weiteren ungewöhnlichen Angeboten von sich reden. So lädt er zusammen mit einer evangelischen Pastorin Paare am Valentinstag zu einem ökumenischen Segnungsgottesdienst ein.
Bibellesungen und Bildmeditationen sollen sie anregen, über ihre Liebe nachzudenken. Zudem erzählen Paare über Höhen und Tiefen ihrer Partnerschaft. Ähnlich strukturiert ist ein besonderer Gottesdienst für Kranke und ihre Helfer.

An Menschen, die nicht an Gräbern trauern können, weil die Gräber nicht mehr vorhanden oder weit entfernt sind, richtet sich das «Monatliche Totengedenken» im Dom. Eine wichtige Rolle spielt dabei ein eigens ausgelegtes «Totenbuch». Besucher können darin die Namen der Verstorbenen eintragen, die dann während der Feier verlesen werden.

Ungewöhnliche kirchliche Initiativen gibt es nicht nur in Erfurt.
Eine «Messe für Pastoral in der Diaspora» belegte im Oktober im sächsischen Schmochtitz mit mehr als 100 Workshops, wie viel sich auf diesem Gebiet in ganz Ostdeutschland tut. Dass die neue Arbeitsstelle nun in Wankes Bischofsstadt angesiedelt wurde, geht nach seinen Worten auch auf die guten Kooperationsmöglichkeiten mit der Universität zurück. Dort bietet nicht nur die einzige katholisch-theologische Fakultät Ostdeutschlands geballtes Fachwissen. Auch darüber hinaus kann die Hochschule mehrere Forschungsschwerpunkte über die Situation von Religion in der säkularen Gesellschaft vorweisen.

Wanke ist sich sicher, dass die Ergebnisse der neuen Arbeitsstelle nicht nur für die ostdeutschen Christen von Bedeutung sein werden.
Auch in den alten Bundesländern steht der Kirche nach seiner Einschätzung vielerorts eine Minderheitensituation bevor, wie sie in den neuen Ländern schon die Regel ist. Umso bedeutender würden dann «Berührungspunkte» für Menschen, denen die Kirche fremd geworden ist, betont Wanke. Als Leiter ihrer Pastoralkommission hat er in der Bischofskonferenz ein gewichtiges Wort in diesen Fragen mitzureden.