Kirche und Politik fordern gesetzliches Verbot aktiver Sterbehilfe

Lehmann: "Dignitas will eine Kultur des Todes"

Politiker von SPD und CDU wollen gegen die Schweizer Sterbehilfe-Organisation Dignitas und ihren deutschen Ableger Dignitate vorgehen. Katholische und evangelische Bischöfe warnten am Dienstag vor einer Aufweichung des Verbots der aktiven Sterbehilfe. Laut Medienbericht hat der der deutsche Ableger der Schweizer Organisation Dignitas einen pensionierten Mediziner gefunden, der einem Schwerkranken beim Suizid helfen will.

 (DR)

Kardinal Karl Lehmann appellierte an die Politik, keine Aufweichung des Tabus der Sterbehilfe in Deutschland zuzulassen. "Da darf es auf keinen Fall Kompromisse geben", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin. Die Politik müsse eine Grauzone verhindern und einen Wertekonsens sichern. Das Vorhaben von Dignitas nannte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz zwielichtig. Darin komme blanker Zynismus und eine Kultur des Todes zum Ausdruck.

Lehmann warf den Sterbehilfe-Vereinen vor, grundlegende Grenzen zu missachten. Ihr Vorgehen müsse auch im Lichte der von den Nationalsozialisten betriebenen Euthanasie gesehen werden. Bei einem solchen Vorgehen sei letztlich auch zu befürchten, dass das Lebensrecht Behinderter infrage gestellt werde. Der Kardinal rief die Ärzteschaft auf, das Ansinnen von Dignitas konsequent abzulehnen und auf eine Stärkung von Palliativmedizin und Hospizarbeit zu setzen.

Von einem "gezielten Rechtsbruch" sprach der Berliner Bischof Wolfgang Huber. Dignitas versuche, das Verbot der Tötung auf Verlangen aufzuweichen, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Die Pläne verstoßen laut Huber gegen deutsches Recht und die ärztliche Standesethik.

Auch der Augsburger katholische Bischof Walter Mixa kritisierte Dignitas. Die Initiative missbrauche ihren Namen, der auf Deutsch "Würde" bedeutet, sagte er der Tageszeitung "Die Welt". Die Menschenwürde sei von Anfang bis Ende des Lebens unantastbar.

Dignitate hat nach eigenem Bekunden einen pensionierten Mediziner gefunden, der einem Schwerkranken beim Suizid helfen will. Ziel ist es, einen Präzedenzfall zu schaffen, um den ärztlich assistierten Suizid auf juristischem Weg zu legalisieren.

"Wir werden das Treiben von Dignitas in Deutschland beenden", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, der "Rheinischen Post" in Düsseldorf. Aktive und gewerbsmäßige Sterbehilfe sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.

Der CDU-Gesundheitspolitiker Hubert Hüppe forderte ein hartes Vorgehen. Wenn Dignitas tatsächlich ein Tötungsdelikt vorbereite, müssten die Sicherheitsbehörden vorbeugend eingreifen. Hüppe forderte, alle juristischen Schritte für ein Verbot von Dignitas zu überprüfen. Der Organisation gehe es darum, aus Selbstmord Geld zu machen.

Bundesjustizministerium verweist auf Verbot aktiver Sterbehilfe
Die Kirchenbeauftragte der Unionsfraktion, Ingrid Fischbach (CDU) erklärte dazu schon am Montag, die Ankündigungen zeigten, wie notwendig die Forderung nach einem Verbot der Organisation sei. Deutschland brauche keine Filiale von Dignitas, sondern "eine Sterbebegleitung, die diesen Namen auch verdient".

Das Bundesjustizministerium bekräftigte das gesetzliche Verbot aktiver Sterbehilfe in Deutschland. Die strafrechtliche Lage sei eindeutig, daran werde sich auch nichts ändern, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin. Wer sich entsprechend engagiere, könne auch den Straftatbestand des Totschlags erfüllen. Da die Selbsttötung in Deutschland nicht strafbar ist, wird auch die Beihilfe zum Suizid nicht strafrechtlich verfolgt. Allerdings können Helfer anschließend wegen unterlassener Hilfeleistung belangt werden. In der Schweiz ist die Hilfe zur Selbsttötung legal, wenn sie uneigennützig geschieht.

Bis zum Bundesgerichtshof?
Der Schweizer Dignitas-Gründer Ludwig Minelli hatte am Wochenende in einem Interview der Winterthurer Tageszeitung "Der Landbote" erklärt, man habe einen Freiwilligen gefunden, der mit Dignitas eine "Sterbebegleitung" auf deutschem Boden machen und das Risiko der Strafverfolgung auf sich nehmen wolle. "Wenn diese Person wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt wird, würden wir das durchziehen bis an den Bundesgerichtshof", so Minelli.

Nach seinen Angaben führte Dignitas im vergangenen Jahr 195 Sterbebegleitungen durch, dabei kamen 57 Prozent der Sterbewilligen aus Deutschland. Zuletzt hatte die Sterbehilfe-Organisation zwei Deutschen auf einem Parkplatz in der Schweiz in den Freitod verholfen.

Minelli betonte, dass Dignitas hohe monatliche Fixkosten habe.
Die Organisation habe 15 Teilzeitmitarbeiter und müsse monatlich 30.500 Euro an Löhnen und Honoraren bezahlen. Außerdem seien gut 30.000 Euro an Anwaltskosten aufgelaufen. Dafür habe Dignitas ein Darlehen in Anspruch genommen. Gegner werfen der Organisation vor, mit Sterbehilfe Geschäfte zu machen.

Wo in Deutschland die Sterbehilfe stattfinden soll, ist offen. Sicher werde es nicht mehr dieses Jahr dazu kommen, so Minelli. Die Wahl sei auf einen Pensionär als Helfer gefallen, weil der nicht seine ärztliche Zulassung riskiere. Das in der Schweiz von Dignitas verwendete Narkotikum Natrium-Pentobarbital sei in Deutschland nicht für Menschen zugelassen. Daher müsse ein anderes Mittel angewandt werden, sagte Arnold. Man wolle einen "hieb- und stichfesten Fall" dokumentieren, "sonst kommen wir nicht weiter".