Theologe sieht in Kölner Muezzinruf positive Entwicklung

"Kirche und Moschee im Dorf lassen“

Erschallt bald der Muezzinruf über Köln? Das Modellprojekt von Henriette Reker sorgt für Aufregung. Theologe Werner Höbsch sieht in dem Projekt Chancen für die Gesellschaft, mahnt allerdings eine kluge Vorgehensweise bei der Umsetzung an.

Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld / © Christoph Driessen (dpa)
Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld / © Christoph Driessen ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was bedeutet für gläubige Muslime und Musliminnen der Ruf des Muezzins?

Dr. Werner Höbsch (Theologe und Islamwissenschaftler): Der Ruf des Muezzins, also der Ruf zum Gebet, gehört zum Selbstverständnis des Islams. Er ruft die Gläubigen zum Gebet zusammen. Der Ruf erfolgt in arabischer Sprache und der Ruf enthält zumindest in Kurzform das islamische Glaubensbekenntnis. Zum Beginn des Gebetes erschallt immer der Muezzinruf, meistens in den Innenraum einer Moschee hinein. Und die Frage, an der sich die Geister scheiden, ist: Soll und darf der Ruf auch durch Lautsprecher verstärkt erfolgen.

DOMRADIO.DE: Wie stehen Sie denn grundsätzlich dazu, dass man den Ruf demnächst in Köln auch über Lautsprecher hören soll?

Höbsch: Ich sehe das als eine insgesamt positive Entwicklung, die allerdings mit Klugheit angegangen werden soll. Positiv finde ich daran: Die religiöse Landschaft ist in einem permanenten Wandel begriffen und ein hoher Prozentsatz - ich weiß nicht, ob 14 oder 15 Prozent - der Kölner Bevölkerung sind Muslime. Und dem wird damit schon etwas Rechnung getragen. Das sehe ich positiv. Die Frage, die sich damit immer stellt, ist, in welcher Form soll das dann in die Verträglichkeit mit der Stadtgesellschaft hineingegeben werden.

DOMRADIO.DE: Was würden Sie denn da vorschlagen?

Höbsch: Ich würde vorschlagen, Klugheit auf beiden Seiten. Einmal auf säkularer Seite, da die Kirchen bzw. die Moschee im Dorf zu lassen und zu sehen, dass die Rahmenbedingungen - hier die der Initiative der Kölner Oberbürgermeisterin - sehr eng gesetzt sind.

Das ist nur freitags von 12 Uhr bis 15 Uhr. Es gilt das Emissionsschutzgesetz. Es kann nur auf Antrag und mit einem Vertrag die Genehmigung gegeben werden. Es muss eine Ansprechperson für Beschwerden geben und das Projekt ist auf zwei Jahre "ad experimentum" angelegt. Wobei mir da wichtig wäre zu wissen, nach welchen Kriterien am Ende dieses Projekt ausgewertet wird.

Und auf der Seite der Moscheegemeinde, da würde ich sagen, es muss nicht jedes Recht maximal in Anspruch genommen werden. Das oberste Ziel, und das wäre für mich die Klugheit, ist das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher religiös-weltanschaulicher Beheimatung und kultureller Prägung in einer Gesellschaft, die einfach vielfältig ist.

DOMRADIO.DE: Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat die Rufe des Muezzins mit Kirchengeläut verglichen. Stimmen Sie ihr zu?

Höbsch: Das kann man nur bedingt machen. Man kann die Emissionsschutzwerte vergleichen, die gelten für Kirchengeläut und die gelten für einen Muezzinruf. Und ansonsten gibt es da schon durchaus Unterschiede.

Das Kirchengeläut hat hier in Deutschland, in Europa eine sehr lange Tradition. Es ist auch juristisch noch mal anders abgesichert als der Muezzinruf. Es gehört zu der sogenannten "res sacra", also einer "heiligen Angelegenheit" der Religionsgemeinschaft. Also es lässt sich nicht eins zu eins Kirchengeläut und Muezzinruf miteinander vergleichen. Zumal das Kirchengeläut ein Läuten ist und keine verbale Nachricht oder Verkündigung.

DOMRADIO.DE: Rechnen Sie bei Projektstart mit einer Welle der Empörung?

Höbsch: Moscheebau und Muezzinruf gehören zu den Aufregerthemen. Das sehen wir auch an den Leserbriefen, die bisher eingegangen sind. Da sorgt das Thema immer sofort für eine große Aufregung. Und hier kommen immer mehrere Aspekte zusammen, die sich dann in der Kritik oder auch in der Zustimmung äußern.

Was ich vorschlagen würde: Vielleicht gibt es auch ein Moratorium. Wir wissen gar nicht, welche Moscheegemeinde überhaupt den Muezzinruf für sich beantragen und ausführen soll. Ich habe gelesen, auch die DITIB überlegt hier. Für mich wäre es wichtig, Foren des Gespräches und der Auseinandersetzung, der Diskussion zu schaffen, um darüber in ein Gespräch zu kommen, das aber nicht nur von emotionaler Stimmung bestimmt werden darf. Sondern das hier auf der einen Seite sachlich miteinander gesprochen wird, auf der anderen Seite aber auch natürlich die Emotionen, die Ängste genannt werden können. Aber das muss in einer sachlichen Form geschehen und da braucht es eine gute Moderation. Da plädiere ich für. Und man muss diesen Muezzinruf nicht von heute auf morgen umsetzen.

Das Interview führte Martin Mölder.


Dr. Werner Höbsch / © privat
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Quelle:
DR
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