Kirche muss Schwarz-Weiß-Denken entgegenwirken

Gesellschaftliche Rolle neu denken

Die Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff warnt vor zu hartem Urteilen angesichts von Krisen und Kriegen. Die Kirche müsse Gesprächsräume bereitstellen, in denen Menschen Unsicherheiten thematisieren könnten "ohne angegangen zu werden".

Nicole Deitelhoff leitet das Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main / © Christian Ditsch (epd)
Nicole Deitelhoff leitet das Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main / © Christian Ditsch ( epd )

Moralischer Rigorismus gedeihe vor allem in Krisenzeiten, in denen die Ungewissheit zunehme, sagte die Leiterin des Frankfurter Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung am Dienstag in Wiesbaden anlässlich des Reformationstages. "Kirche muss helfen zu halten, wo es auseinandertreibt."

Keine Zwischentöne in Nahost-Debatten

Angesichts des Nahost-Konflikts sei die gesellschaftliche Rolle der Kirchen möglicherweise mehr gefragt als je zuvor. Der "moralische Rigorismus, der bereits die öffentlichen Debatten zum russischen Angriffskrieg immer wieder durchzogen hat, zeigt sich im Gaza-Krieg umso erbarmungsloser", so die Politikwissenschaftlerin. Er scheide nur zwischen richtig und falsch. Zwischentöne blieben fremd, so Deitelhoff laut einer Mitteilung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), die den Reformationstag mit einem Festakt feierte.

Am 31. Oktober erinnern Protestanten in aller Welt an den Beginn der Reformation durch Martin Luther (1483-1546) im Jahr 1517 und die Entstehung der evangelischen Kirche. Der Augustinermönch und Theologe hatte im Oktober 1517 in Wittenberg 95 Thesen zur Kirchenreform veröffentlicht, 1520 folgten programmatische Schriften, etwa "Von der
Freiheit eines Christenmenschen". Im April 1521 trat Luther vor dem Wormser Reichstag im Angesicht des Kaisers Karl V. auf und weigerte sich, seine Kritik an der römisch-katholischen Kirche, insbesondere dem Ablasshandel, zu widerrufen. Luther verteidigte trotz drohenden Ketzer-Todes seine theologischen Ansichten, und zwar mit dem in der
Überlieferung sicher zugespitzten Satz: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen."

Quelle:
KNA