Kippa-Solidaritätsaktionen in mehreren deutschen Städten

Kopf hoch

Vielerorts soll an diesem Mittwoch mit der Kippa auf dem Kopf für Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft demonstriert werden. In Berlin wollen sich Vertreter aus Politik und Kirche beteiligen. Auch Muslime rufen zur Teilnahme auf.

Mann mit Kippa / © Norbert Neetz (epd)
Mann mit Kippa / © Norbert Neetz ( epd )

In mehreren deutschen Städten bekunden Menschen an diesem Mittwoch ihre Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft und gehen gegen Antisemitismus auf die Straße. Unter anderem in Berlin, Erfurt, Köln und Magdeburg sollen sich bei Kundgebungen die Teilnehmer als Zeichen der Solidarität die traditionelle jüdische Kopfbedeckung Kippa aufsetzen.

"Berlin trägt Kippa"

Unter dem Motto "Berlin trägt Kippa" werden in der Hauptstadt für den Abend vor dem Jüdischen Gemeindehaus in der Fasanenstraße etwa 1.000 Menschen erwartet. Als Redner sind unter anderem Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge, der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), und der designierte Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, vorgesehen.

Kippa

Die Kippa ist eine kleine kreisförmige Kopfbedeckung. Männliche Juden tragen sie beim Gebet, an Gebetsorten wie Synagogen oder jüdischen Friedhöfen, teils auch im Alltag. Weder aus der Bibel, noch aus den jüdischen Gesetzbüchern ergibt sich ein Gebot für Männer, den Kopf beim Beten zu bedecken.

Die Kippa verbreitete sich seit dem 16. Jahrhundert und soll signalisieren, dass ihr Träger sich an die Gegenwart Gottes erinnert. Üblich ist sie in Synagogen ab dem dritten Geburtstag eines Jungen.

Ein jüdischer Mann trägt einen blauen Kippah mit einem Davidstern / © Nelson Antoine (shutterstock)
Ein jüdischer Mann trägt einen blauen Kippah mit einem Davidstern / © Nelson Antoine ( shutterstock )

Auslöser der Kundgebungen in der Hauptstadt und andernorts ist der gewalttätige Übergriff auf zwei Kippa tragende Männer am Dienstag vergangener Woche in Berlin-Prenzlauer Berg. Der mutmaßliche Angreifer, ein 19-jähriger Flüchtling aus Syrien, sitzt in Untersuchungshaft.

Schuster rät von Kippa-Tragen ab

Im RBB-Rundfunk lobte Zentralratspräsident Schuster am Mittwoch die geplanten Solidaritätsaktionen, riet aber zugleich grundsätzlich von einem offenen Tragen der jüdischen Kopfbedeckung Kippa hierzulande ab. Er habe das Gefühl, "dass doch ein Ruck durch die Gesellschaft geht und man im Großteil der Gesellschaft verstanden hat, dass wir auch an einem gewissen Wendepunkt angekommen sind", sagte Schuster. Wenn es nicht gelinge, antisemitische Tendenzen und offenem Antisemitismus entgegenzutreten, dann stelle das letztendlich auch eine Gefahr für unsere Demokratie dar.

Einzelnen Kippa-Trägern riet Schuster, die jüdische Kopfbedeckung mit einem Basecape zu tarnen. Trotzig sich dazu zu bekennen, wäre im Prinzip der richtige Weg, sagte er: "Trotzdem würde ich Einzelpersonen tatsächlich davon abraten müssen, sich offen mit einer Kippa im großstädtischen Milieu in Deutschland zu zeigen."

Israels Oberrabbiner: Juden sollen weiterhin Kippa tragen

Israels Oberrabbiner David Lau hat dagegen die Juden in Deutschland aufgerufen, ihre Kippa nicht abzunehmen. Er reagierte damit laut israelischen Medienberichten auf Äußerungen des Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Dieser hatte aufgrund der jüngsten antisemitischen Übergriffe vom Tragen der Kippa abgeraten.

Die deutschen Strafverfolgungsbehörden sollten verpflichtet sein, die Sicherheit der Juden im Land zu gewährleisten, sagte der aschkenasische Oberrabbiner. Er werde in dieser Angelegenheit einen besonderen Brief an die deutschen Behörden richten.

Lau forderte die Juden in aller Welt auf, nach Israel auszuwandern. Solange es jedoch Juden in Deutschland und andernorts auf der Welt in der Diaspora geben, sollten sie weiterhin die Kippa tragen und sich nicht fürchten.

Muslimische Verbände beteiligen sich

Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs rief die Muslime dazu auf, als Zeichen der Solidarität mit den Juden am Mittwoch die muslimische Gebetskappe Takke zu tragen. Wer anderen Menschen Schaden zufüge aufgrund der Religion oder Herkunft, habe keinen Platz in unserer Gesellschaft, erklärte Generalsekretär Bekir Altas: "Wir sind gesamtgesellschaftlich aufgefordert, rassistischen Bestrebungen gemeinsam die Stirn zu bieten - egal von wem sie ausgeht und wen sie trifft."

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, macht für Judenfeindlichkeit in Deutschland vor allem rechtsextreme Kräfte verantwortlich. Der Blick auf die Kriminalstatistik zeige, dass die meisten antisemitischen Straftaten "rechts motiviert" seien, sagte Mazyek der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Dienstag). Gleichwohl nehme es der Zentralrat "sehr ernst, dass bei einigen Flüchtlingen eine Judenfeindlichkeit vorhanden ist".

Unterdessen hat die Rechtsanwältin und liberale Moscheegründerin Seyran Ates im Internet mit Mistreitern die Kampagne #wirsindauchjuden gestartet. Die Menschen werden aufgerufen, in den sozialen Netzwerken auf Facebook, Twitter oder Instagram unter dem Hashtag #wirsindauchjuden als Zeichen der Solidarität Fotos von sich mit Kippa zu posten. "Wer Menschen mit jüdischem Glauben angreift, greift uns alle an", sagte Ates.

Quelle:
epd , KNA