Berliner Katholiken diskutieren mit Atheisten über Gott

Keine Chance im hippen Berlin?

Christen präsentieren sich oft als geschlossene Gesellschaft. Dagegen will der Berliner Erzbischof Heiner Koch angehen. Ein "Symposium" auch mit kirchenkritischen Gästen offenbarte viele ganz unterschiedliche Einsichten.

Autor/in:
Gregor Krumpholz
T-Shirt mit Aufschrift "Atheismus kann doch jeder"  / © Julia Steinbrecht (KNA)
T-Shirt mit Aufschrift "Atheismus kann doch jeder" / © Julia Steinbrecht ( KNA )

"Gott hatte seine Chance bei mir", ließ Philipp Möller seine Zuhörer wissen. Doch der Allmächtige hat sie offenbar nicht genutzt. Unter dem Titel "Gottlos glücklich" hat Möller auch in einem Buch bereits ausgeführt, "warum wir ohne Religion besser dran wären".

Es war für fromme Christen der stärkste Tobak, der am Wochenende bei einer Veranstaltung des Erzbistums Berlin geboten wurde. Zur Frage "Heute von Gott reden?" hatte Erzbischof Heiner Koch eingeladen zum "Versuch, einen Gesprächsfaden zu knüpfen und auch nichtkirchlichen Sichtweisen Raum zu geben". Das Angebot traf offenbar einen Nerv, schon früh waren alle Plätze ausgebucht. Auf die Podien kamen auch Gäste, die bei solchen Veranstaltungen sonst nicht anzutreffen sind.

"Im hippen Berlin"

Teilnehmer im Alter bis 30 suchte man allerdings meist vergebens, wie auch der Musik-Manager Joe Chialo hervorhob. Für ihn ein Beweis dafür, dass die Kirche zumindest "im hippen Berlin keine besonders relevante Rolle spielt", wie er einräumte. "Wird diese tolle Veranstaltung gestreamt?", fragte er, um ganz konkret auf das Kommunikationsverhalten seines Lebensumfeldes hinzuweisen. Sie wurde nicht per Internet übertragen. Chialo bot seine Hilfe an, "Kirche mal anders abzubilden".

Wie Chialo macht Adelheid Kleineidam eigentlich auch gute Erfahrungen mit Glaube und Kirche. Die Schauspielerin wuchs in einer religiösen und zugleich "offenen" Familie auf – und entschied sich dennoch zum Kirchenaustritt. Sie hat Schwierigkeiten mit den "falschen Tönen" unter den Gläubigen. In Gotteshäuser geht sie dennoch gerne, fühlt sich dort "von der Energie" des Raums "aufgeladen".

"Als Seelsorger wahrnehmen"

Eine ganz andere Perspektive brachte der Bestattungs-Unternehmer Eric Wrede ein. Ihn erschrecke immer wieder, wie viele Kunden ihn "als Seelsorger wahrnehmen". Dass die Kirche, mit der er selbst "wunderbar zusammenarbeitet", von vielen nicht mehr die erste Adresse für existenzielle Fragen ist, macht er zu seiner Botschaft an das Symposium. Er verband sie mit einer konkreten Bitte: "Halten Sie die Gebühren auf Ihren Friedhöfen niedrig, damit auch arme Menschen sich eine würdige Bestattung leisten können."

Seelsorge ist immer weniger "Eigentum einer Glaubensgemeinschaft, auch nicht die Frage nach Gott", gab auch der Philosoph Wilhelm Schmid zu bedenken, der als Buchautor über "Lebenskunst" schreibt. Dass Not beten lehrt, ist indes keine Selbstverständlichkeit mehr.

Wer glaubt, dem gibt dies auch im Sterben Halt, bei anderen wird Gott selbst dann nicht zum Thema, wie die Hospiz- und Trauerbegleiterin Kerstin Kurzke immer wieder erlebt. Überdies hat die Kirche keine einfachen Antworten parat: "Christen können Gott nicht mit Leid und Scheitern versöhnen", brachte der Moraltheologe Andreas Lob-Hüdepohl es auf den Punkt.

"Monopolanspruch bei ethischen Fragen"

Auch für den Raum der Politik zog Bettina Jarasch den Schluss, dass die Kirche "ihren Monopolanspruch bei ethischen Fragen ablegen" muss. Die Abgeordnete, als aktive Katholikin nach eigenen Worten ein "Unicum" bei den Grünen, verwies auf die "sehr hohen moralischen Ansprüche", die auch in ihrer Partei gestellt werden, und das zumeist ohne Bezug zur Religion.

Berlins Caritas-Chefin Ulrike Kostka zeigte sich optimistisch, dass die "gemeinsame Sprache des Herzens" Glaubende und Nichtglaubende verbinden kann. Dabei müssten die Christen stärker ein "positives Beispiel dafür abgeben, was es heißt, Ebenbild Gottes zu sein", warb Religionslehrerin Stephanie Kaune.

Der Marketing-Spezialist Steffen Riemer hat solche Vorbilder offenbar gefunden. Zu DDR-Zeiten in einer "linientreuen und atheistischen" Familie aufgewachsen, ließ er sich zu Ostern taufen. "Gott hat mir die Kraft gegeben, mich selbst zu finden", setzte er einen Kontrapunkt gegen die kirchenkritischen Podiumsteilnehmer wie Bildungsreferent Sven Thale vom Humanistischen Verband, der bei der Frage nach Gott auf die "Grenzen menschlicher Erkenntnisfähigkeit" verwies.

So konnte das Symposium nach Ansicht mancher Teilnehmer vielleicht noch keinen Gesprächsfaden knüpfen, einfädeln aber im ein oder anderen Fall schon. "Ein guter Auftakt", freute sich jedenfalls der Gastgeber.


Erzbischof Heiner Koch / © Christoph Busse (KNA)
Erzbischof Heiner Koch / © Christoph Busse ( KNA )
Quelle:
KNA