Kein sofortiger Schlag gegen Assad

Obama wartet auf Kongress-Votum

Barack Obama hat alle überrascht: Als die Welt damit rechnet, dass er Raketen auf Syrien schießt, delegiert er die Entscheidung an die Parlamentarier. Ein Manöver mit ungewissem Ausgang.

Obama holt Meinung des Kongresses ein (dpa)
Obama holt Meinung des Kongresses ein / ( dpa )

US-Präsident Barack Obama macht einen Militärschlag gegen Syrien von der Zustimmung des Kongresses abhängig. Einen sofortigen Angriff auf das Regime von Machthaber Baschar al-Assad wird es damit nicht geben. Obama erklärte, er sei zwar überzeugt, dass die USA angreifen sollten, um auf einen Giftgas-Einsatz des syrischen Regimes mit mehr als 1400 Toten zu reagieren: "Ich bin bereit, den Befehl zu geben", betonte er am Samstag in Washington. Die USA seien aber stärker, wenn die Entscheidung von den Abgeordneten getragen werde.

Nach seiner Rede im Garten des Weißen Hauses bat Obama den Kongress noch am Samstagabend formal um die "Autorisierung" eines Militärschlags gegen Damaskus. Das Repräsentantenhaus und der Senat wurden gebeten, die Verwendung militärischer Gewalt zur Verhinderung eines möglichen weiteren Einsatzes von chemischen Waffen oder anderen Massenvernichtungswaffen zu billigen, teilte das Weiße Haus mit.

Republikaner-Verhalten ungewiss

Ob Obama vom Kongress grünes Licht für den Waffengang erhalten wird, ist ungewiss. Experten meinten, dass er zwar auf die Zustimmung des demokratisch beherrschten Senats bauen könne. Im Abgeordnetenhaus, das von den Republikanern dominiert wird, sei das aber weit unsicherer.

Obama bekräftigte zwar, dass das Assad-Regime nach der "schlimmsten Giftgasattacke des 21. Jahrhunderts" nicht ungeschoren davonkommen dürfe. "Ich habe mich entschlossen, dass die USA handeln sollten." Er habe aber auch die Rufe nach einer Einschaltung des Kongresses gehört. Deshalb wolle er mit einem Militärschlag warten, bis Abgeordnete und Senatoren aus der Sommerpause zurückgekehrt seien und grünes Licht geben könnten. "Wir sollten diese Diskussion führen", sagte der Präsident, dies sei der richtige Weg in einer Demokratie.Obama habe den Entschluss, einen Militärschlag nicht eigenmächtig zu befehlen und erst die Abgeordneten zu konsultieren, am späten Freitagabend getroffen, berichtete der TV-Sender CNN. Die Abstimmung kann nach dem bisherigen Terminplan nicht vor dem 9. September fallen: Dann geht die Sommerpause des Kongresses zu Ende.

In Großbritannien stimmte das Unterhaus gegen eine Beteiligung

Erst am Donnerstag hatte der britische Premierminister David Cameron ein Votum im britischen Unterhaus über eine Beteiligung an einer etwaigen US-Militäroperation verloren - eine schwere Schlappe für den Regierungschef. Obama kann aber weiterhin auf die Unterstützung Frankreichs und seines Präsidenten François Hollande zählen. Am Samstagabend telefonierten beide erneut miteinander, wie die Regierung in Paris mitteilte. Dort ist am Mittwoch eine Sondersitzung der Nationalversammlung zum Syrien-Konflikt geplant.

Kremlchef Wladimir Putin bezeichnete die Giftgas-Anschuldigungen der USA gegen Syrien als "absoluten Unfug". Er forderte Washington auf, die Vorwürfe mit konkreten Beweisen zu belegen. Kein Land dürfe einen souveränen Staat auf der Grundlage abgehörter Telefongespräche angreifen, "die nichts belegen", unterstrich der Kremlchef. Putin sprach sich zudem dafür aus, beim G20-Gipfel mit Obama und Kanzlerin Angela Merkel in St. Petersburg am 5./6. September auch über Syrien zu diskutieren.

Merkel kritisiert Russland und China

Bis zur Rede Obamas am Samstag war erwartet worden, dass die USA kurz nach der Abreise der letzten UN-Chemiewaffenexperten aus Damaskus einen ein- oder zweitägigen Militärschlag starten würden. Das UN-Team traf am Samstag in den Niederlanden ein. Ihr Report über die mutmaßliche Tötung von mehr als 1400 Menschen nahe Damaskus soll in spätestens drei Wochen vorliegen. Die Experten haben jedoch kein Mandat für die Klärung der Frage, wer für den mutmaßlichen Giftgasangriff verantwortlich ist.

Kanzlerin Merkel kritisierte die Regierungen Russlands und Chinas wegen ihrer Haltung im Syrien-Konflikt. Der "Augsburger Allgemeinen" (Samstag) sagte sie, es könne "ein Tabubruch wie der Einsatz von Giftgas mit Hunderten von Toten nicht ohne Folgen bleiben". Deutschland könne sich nur mit einem Mandat der Vereinten Nationen, der Nato oder der EU an Militäreinsätzen beteiligen: "Insofern stellt sich die Frage nach einer Beteiligung der Bundeswehr jetzt ohnehin nicht."

Erhöhte Alarmbereitschaft in Israel

In Israel dauert die erhöhte Alarmbereitschaft ungeachtet der Ansprache Obamas an. Der israelische Rundfunk meldete am Sonntag, im ganzen Land seien verschiedene Raketenabwehrsysteme aufgestellt und einsatzbereit. Zum Schutz des Großraums Tel Aviv mit mehr als drei Millionen Einwohnern steht ein Abwehrsystem des Typs Eisenkuppel bereit. Die Verteilung von Gasmasken an besorgte Bürger sollte auch am Sonntag weitergehen. Israel schließt nicht aus, dass es während eines US-Angriffs auf Syrien von dort aus unter Raketenbeschuss geraten könnte, hält dies aber für sehr unwahrscheinlich.

Am Sonntag wollten die Außenminister der Arabischen Liga in Kairo über den Syrien-Konflikt beraten - zwei Tage früher als geplant.

Graumann für Eingreifen

Während sich die beiden großen Kirchen in Deutschland explizit gegen ein militärisches Einfreifen in Syrien ausgesprochen haben, befürwortet der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, eine militärische Vergeltung für den Giftgaseinsatz. "Der Einsatz international geächteter Massenvernichtungswaffen darf nicht ohne Konsequenzen bleiben", sagte Graumann dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstagsausgabe).

"Dieses Zeichen muss vom Regime in Damaskus ebenso verstanden werden wie von allen anderen diktatorischen Regimes, die solche Waffen in ihren Arsenalen haben", sagte Graumann weiter. Die Voraussetzung sei, dass die Verantwortung des Regimes von Bashar al-Assad für die Giftgas-Angriffe in der Nähe von Damaskus vor einer Woche hinreichend geklärt sei. Dann aber gelte: "Man kann nicht immer nur von Menschenrechten reden, sondern muss irgendwann auch zeigen, dass man es ernst meint."

Von der Bundesregierung erwartet Graumann Loyalität mit ihren Bündnispartnern. Der "fatale Fehler" in der Libyen-Krise vor zwei Jahren dürfe sich nicht wiederholen. Damals sei die Bundesrepublik Deutschland in der Frage eines militärischen Vorgehens gegen den früheren libyschen Machthaber Ghaddafi ihren Verbündeten in den Rücken gefallen und habe am Ende "alleine in einem Boot mit Putins Russland gesessen. Das ist nicht der Ort, den ich mir für die Bundesrepublik Deutschland wünsche. Jetzt besteht die Chance, den Fehler von damals zu korrigieren."

 

 


Quelle:
dpa , epd