Rufe nach Ende der Gewalt in Kasachstan

Kein religiöser Bezug

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. hat sich besorgt angesichts der Unruhen in Kasachstan gezeigt. Die Menschen des zentralasiatischen Landes seien mit einem "schweren Bürgerkonflikt" konfrontiert, sagte Kyrill.

Autor/in:
Christoph Schmidt
Konflikt in Kasachstan: Demonstranten protestieren gegen gestiegene Gaspreise / © -/XinHua (dpa)
Konflikt in Kasachstan: Demonstranten protestieren gegen gestiegene Gaspreise / © -/XinHua ( dpa )

Der Patriarch äußerte sich in Moskau in seiner orthodoxen Weihnachtsmesse. Das geschehe gleich nebenan auf dem "Territorium der historischen Rus, und deshalb können wir diesem Blutvergießen, diesen Zusammenstößen, diesem menschlichen Chaos nicht gleichgültig gegenüberstehen".

Kasachstans orthodoxer Metropolit Alexander äußert sich in Videobotschaft

Der Konflikt in Kasachstan müsse beendet werden und in dem Land "wahrer Frieden" herrschen, so Kyrill I. "Wir werden dafür beten, arbeiten und hoffen, dass es so sein wird." Kasachstans orthodoxer Metropolit Alexander hatte bereits am Mittwoch in einer Videobotschaft "die sofortige Beendigung des Schürens brudermörderischer Konflikte" gefordert.

Die ehemalige Sowjetrepublik wird seit Tagen durch Massenproteste und Ausschreitungen gegen die autoritäre Regierung erschüttert. Es gab Dutzende Tote und Tausende Festnahmen. Auf Bitten des kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew schickte Moskau inzwischen rund 5.000 russische Soldaten in den Nachbarstaat. In einer TV-Ansprache sagte er am Freitag, die Sicherheitskräfte sollten im Falle weiterer Unruhen ohne Vorwarnung schießen.

Religiöser Hintergrund "wenigstens bis jetzt nicht erkennbar"

Die gewaltsamen Proteste haben nach Einschätzung der Stiftung Wissenschaft und Politik bisher keine islamistischen Bezüge. Ein religiös-extremistischer Hintergrund sei "wenigstens bis jetzt nicht erkennbar", sagte die Zentralasien-Expertin der Berliner Stiftung, Andrea Schmitz, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Wenn Präsident Tokajew Gewaltakteure als "Terroristen" bezeichne, sei dies lediglich eine "opportunistische Begriffsverwendung". Tokajew versuche damit, den Protesten die Legitimität abzusprechen. Außerdem diene die Bezeichnung möglicherweise dazu, die Unterstützung des von Russland dominierten Militärbündnisses OVKS zu rechtfertigen, sagte Schmitz.

Etwa 70 Prozent der mehr als 18 Millionen Kasachen sind Muslime, überwiegend Sunniten. Nach jahrzehntelanger Unterdrückung der Religion in der Sowjetzeit kam es nach 1990 zu einer Wiederbelebung des Islam. Er gilt in Kasachstan als gemäßigt, tolerant und säkular.

UN-Menschenrechtskommissarin Bachelet ruft zu friedlicher Lösung auf

Bereits am Donnerstag hatte UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet beide Seiten zum Ende der Gewalt und einer friedlichen Lösung aufgerufen. "Das internationale Recht ist klar: Menschen haben das Recht zu friedlichem Protest und Meinungsfreiheit", erklärte Bachelet in Genf. Protestierende hätten aber nicht das Recht auf Gewalt gegen andere, "egal wie zornig oder benachteiligt sie auch sind".

Von den Unruhen betroffen sind nach Angaben von Reporter ohne Grenzen auch Medienschaffende. Die Organisation, die sich für Pressefreiheit einsetzt, beklagte am Donnerstagabend Polizeigewalt, willkürliche Festnahmen und Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten. Mehrfach sei das Internet nahezu vollständig blockiert worden, auch Telefonate seien nicht möglich gewesen. "Die Behörden wollen mit allen Mitteln kontrollieren, welche Informationen über die Proteste nach außen dringen", sagte der Deutschland-Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr. "Die Unruhen dürfen nicht als Vorwand dienen, die Medien zu zensieren."


Kyrill I., Patriarch von Moskau und ganz Russland / © Corinne Simon (KNA)
Kyrill I., Patriarch von Moskau und ganz Russland / © Corinne Simon ( KNA )
Quelle:
KNA
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