Kein Durchbruch bei Mindestlohn - Pflegebeitrag steigt - Arbeitslosenversicherungsbeitrag sinkt

Koalition: "Das Machbare erreicht"

Die Koalition will mit höheren Pflegebeiträgen Demenzkranken helfen und Pflegeleistungen verbessern. Zugleich sollen die Lohnzusatzkosten insgesamt durch sinkende Beiträge zur Arbeitslosenversicherung stabil bleiben. Darauf verständigten sich die Spitzen der Koalition in der Nacht zum Dienstag. Beim Thema Mindestlohn gab es eine Teileinigung, mit der sich SPD-Chef Kurt Beck nur bedingt zufrieden zeigte. Stoiber betonte: "Wir haben das Machbare erreicht". Ottmar Dillenburg, stellvertretender Bundespräses des Kolpingwerks Deutschland, fordert im domradio weiterhin einen flächendeckenden Mindestlohn von 7,50 Euro.

 (DR)

Der Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung soll zum 1. Juli 2008 um 0,25 Prozentpunkte steigen. Mit den Mehreinnahmen sollen unter anderem Demenzkranke in die Pflegeversicherung aufgenommen und deutliche Verbesserungen für Pflegende bezahlt werden. Bis 2014/2015 gebe es für die Pflegeversicherung damit finanzielle Sicherheit, sagte Beck. Die SPD konnte sich nicht mit ihrer Forderung nach einem Finanzausgleich zwischen gesetzlicher und privater Pflegeversicherung durchsetzen. Die Union ihrerseits stieß mit ihrem Drängen nach Aufbau einer individuellen Kapitalreserve bei der SPD auf Widerstand.

Caritas: Eigentliche Pflegereform steht noch aus
Nach dem Koalitionskompromiss zur Pflegeversicherung hat der Deutsche Caritasverband erneut eine umfassende Neuordnung gefordert. "Die eigentliche Pflegereform steht noch aus", erklärte Caritas-Präsident Peter Neher am Dienstag in Berlin. Der Kompromiss schaffe nur kurzfristig Spielräume. Die nachhaltige Finanzierung der Pflege angesichts des demographischen Wandels bleibe ungesichert. Neher bekräftigte die Forderung nach einem Risikoausgleich zwischen privater und gesetzlicher Pflegeversicherung sowie einer ergänzenden Kapitaldeckung.

Gleichwohl sei der jetzige Kompromiss zu begrüßen, betonte der Caritas-Chef und verwies auf die Versorgung für altersverwirrte Menschen und ihre Angehörigen und die geplante Stärkung der häuslichen und ambulanten Pflege. Bei der Reform müssten jedoch auch die pflegenden Angehörigen wirksam entlastet werden und beispielsweise eine befristete Pflegezeit eingeführt werden.

Koalitionäre zeigen sich in Sachen Pflege zufrieden
Die Koalitionäre zeigten sich bei der Pflege hochzufrieden. Er sei "fast begeistert", sagte Beck. Stoiber sprach von einem "wuchtigen Schritt" für eine Pflegereform. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, dies sei ein guter Tag für alle Familien, die Angehörige zu Hause pflegen.

Die Lohnzusatzkosten sollen insgesamt nicht steigen, betonten Beck und CSU-Chef Edmund Stoiber. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll bereits zum 1. Januar 2008 um 0,3 Prozentpunkte auf dann 3,9 Prozent sinken. Laut Stoiber sollen Rentner, die die Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflege allein schultern müssen, insgesamt aber keine Einbußen hinnehmen müssen. Alle Signale seien gestellt, dass die Renten zu dem Zeitpunkt der Erhöhung des Pflegebeitrags "wesentlich mehr erhöht werden können".

Beim Thema Mindestlohn einigte sich der Koalitionsausschuss, dass Branchen in das Entsendegesetz aufgenommen werden sollen, wo der tarifvertragliche Organisationsgrad mindestens 50 Prozent beträgt. Beck schätzte, dass dies für zehn bis zwölf Branchen der Fall ist. Darüber hinaus sollen für Einzelfälle über einen mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzten Ausschuss Anträge für Mindestlöhne gestellt werden können. Darüber müsse dann die Bundesregierung auf Vorschlag des Bundesarbeitsministers entscheiden.

Beck betonte, die SPD strebe weiter einen gesetzlichen Mindestlohn an. "Der war heute nicht erreichbar", sagte der SPD-Chef. Auch auf eine Definition sittenwidriger Löhne habe man sich nicht verständigen können. Die vereinbarten Schritte seien in Ordnung. Sie seien aber "nur einige Schritte" und "nicht der Weg", um die Menschen abzusichern, sagte Beck.

Stoiber betonte: "Wir haben das Machbare erreicht". Der CSU-Chef und Kauder bekräftigten, dass es mit der Union keinen gesetzlichen allgemeinen Mindestlohn geben werde, weil dieser Arbeitsplätze kosten würde. Beck entgegnete, wer in Vollzeit arbeite, der müsse davon auch leben können. Das sei ein Prinzip der sozialen Marktwirtschaft. Deshalb werde die politische Diskussion über das Thema Mindestlohn weitergehen.